Neukirchen-Vluyn Abschied vom Geläut der Friedenskirche

Neukirchen-Vluyn · Eine Fachfirma aus dem Münsterland hat gestern die vier Glocken des Gotteshauses in Neukirchen abmontiert. Wahrscheinlich werden sie bald in einem anderen Kirchturm läuten.

 Pfarrer Frank Rusch (links) sowie Maik Lölfing (rechts) und Lukas Drewniak von der Firma Petit & Edelbrock aus Gescher mit den abmontierten Glocken.

Pfarrer Frank Rusch (links) sowie Maik Lölfing (rechts) und Lukas Drewniak von der Firma Petit & Edelbrock aus Gescher mit den abmontierten Glocken.

Foto: dieker

Eine Stelle aus dem Buch Jesaja ist auf einer der Glocken zu lesen: "Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht!" Und auf einer anderen: "Betet ohne Unterlass!" Zum Gebet haben viele Jahre lang die vier Glocken der Friedenskirche in Neukirchen die Gläubigen gerufen. Doch das evangelische Gotteshaus am Bendschenweg wird verkauft. Gestern wurden die Glocken abmontiert.

Rund 800 Kilogramm wiegt ein einzelnes Exemplar. So ein Ding ist in der Vertikal-Bewegung nicht eben handlich, daher müssen Fachleute ran: Mitarbeiter der Glocken-Manufaktur Petit & Gebrüder Edelbrock aus Gescher sind daher nach Neukirchen gekommen. Laut eigenen Angaben gibt es diese Werkstatt rund um das bronzene Geläut bereits seit dem Jahr 1690. "Bei uns werde auch neue Glocken gegossen", sagt Maik Lölfing. So wie man es aus Schillers "Glocke" kennt, mit der Form "aus Lehm gebrannt". Und Bronze, diese uralte Metall-Legierung, ist immer noch die erste Wahl für den Guss.

Pfarrer Frank Rusch ist an diesem Vormittag zur Friedenskirche gekommen. Zwei Glocken stehen bereist auf dem Boden der leeren Kirche, die beiden übrigen folgen später. Das Gotteshaus ist bereits entwidmet, wie es heißt, nach 55 Jahren wurde dort am 18. September 2016 der letzte Gottesdienst gefeiert. Das Grundstück soll an einen Investor verkauft werden, der dort Wohnbebauung errichten möchte. Die Kirche selbst wird abgerissen.

Neukirchen-Vluyn: Abschied vom Geläut der Friedenskirche
Foto: Dieker Klaus

Es ist nicht das einzige Objekt, von dem sich die evangelische Kirchengemeinde Neukirchen trennt. Auch die Johanniskirche in Rayen geht in anderen Besitz über, die Hotelierfamilie Welling hat den Zuschlag erhalten. Sie hat versprochen, dass die Kirche in der Ortschaft weiter ein Ort der Begegnung bleiben soll.

Und was wird nun aus den Glocken der einstigen Friedenskirche? Haben sie für immer ausgeläutet? "Wir hatten überlegt, die Glocken in der renovierten Dorfkirche in Neukirchen aufzuhängen", sagt Pfarrer Frank Rusch. Aber es zeigte sich bald, dass dies zu aufwendig und kostspielig werden würde. "Wir hätten extra den Glockenstuhl umbauen müssen." Schade, meint der Geistliche, dieser Umzug wäre ein schönes Symbol für Kontinuität gewesen. Als der letzte Gottesdienst in der Friedenskirche vorüber war, hatten die Teilnehmer zu Fuß den Weg zur Dorfkirche eingeschlagen, auch das natürlich ein Zeichen für den Übergang.

Doch die vier Glocken werden voraussichtlich nicht stumm bleiben, obwohl sie nun erst einmal bei den Fachleuten im Münsterland eingelagert werden. Interessenten für ein vierstimmiges Geläut gibt es in vielen deutschen Gemeinden und über Konfessionsgrenzen hinweg. "Wir haben potenzielle Käufer, nämlich eine katholische Kirchengemeinde in Trier", berichtet Pfarrer Rusch. Dort müsste die Transaktion aber noch mit dem Bistum geklärt werden. Ähnlich wie für alte Orgeln gebe es auch für alte Glocken eine Börse, auf der sich vor allem Kirchengemeinden austauschen können. Denn viele Gemeinden bundesweit geben einzelne Gotteshäuser auf, weil sie Kosten einsparen müssen oder die Zahl der Gläubigen zurückgeht. Und so sind immer wieder gebrauchte Glocken "auf dem Markt", um es profan auszudrücken.

Und diese Tatsache mag die evangelischen Gläubigen der Gemeinde Neukirchen trösten: Das Geläute "ihrer" Glocken wird wahrscheinlich eines Tages in einem anderen Kirchturm die Menschen zum Gottesdienst rufen.

(s-g)
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