Nettetal Wo die Erdbeeren in der Luft hängen

Nettetal · Thorsten Clemens will mit seinen roten Früchtchen hoch hinaus: Seit dem Frühjahr baut der 28-jährige Gartenbauer seine Erdbeeren auch im Freiland in der Hochstandanlage an. Die rückenfreundliche Anbaumethode hat viele Vorteile.

 Mit den Erdbeerpflanzen auf Augenhöhe: Thorsten Clemens baut seit diesem Jahr nicht nur im Gewächshaus, sondern auch im Freiland auf Hochstandanlagen an.

Mit den Erdbeerpflanzen auf Augenhöhe: Thorsten Clemens baut seit diesem Jahr nicht nur im Gewächshaus, sondern auch im Freiland auf Hochstandanlagen an.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Wenn so eine Hochstandanlage nicht ein hübsches Sümmchen kosten würde, dann hätte sie jeder. Schöne, glänzende, saubere Erdbeeren, praktisch auf Augenhöhe, pflücken im Vorbeigehen. Doch so einfach ist es mit der hochmodernen, rückenfreundlichen Anbaumethode dann doch nicht. "Die Anschaffungskosten sind ziemlich hoch. Neu kostet der laufende Meter 13 bis 16 Euro. Für mich hat es sich gerechnet, weil ich die Anlage gebraucht gekauft habe", sagt Thorsten Clemens.

Der Gartenbauer aus Nettetal-Leuth hat in diesem Frühjahr seine erste Hochstandanlage im Freiland aufgebaut. "Stillage für Erdbeeren" heißt der Fachbegriff. 5760 Pflanzen stehen nun doppelreihig auf 4800 Metern Länge. Während sich die Anbaumethode in gut 1,50 Metern Höhe im Gewächshaus längst durchgesetzt hat, ist sie im Freiland noch ein Hingucker. "Ich kenne hier in der Region keinen, der das macht", sagt der 28-Jährige.

Von der Bundesstraße 221 aus kann man die Erdbeerhochbeete sehen. Sie erregen die Aufmerksamkeit der Vorbeifahrenden. Und das sollen sie auch, denn sie kurbeln den Hofverkauf bei Gartenbau Clemens an. "Es ist komisch, aber wenn die Leute von der Straße aus keine Erdbeerfelder sehen, dann kommen auch weniger Kunden."

Der Leuther Gartenbauer hat mit der Hochstandanlage im Freiland eine Not zur Tugend gemacht. "Der Boden war erschöpft", erklärt Clemens. In einer Fachzeitschrift entdeckte er in einer Kleinanzeige die Lösung seines Problems. Ein Betrieb aus dem Münsterland verkaufte gebraucht seine Anlage mit 10 000 Metern. "Der Betrieb stand wohl vor der Insolvenz. Innerhalb einer Woche mussten wir alles abholen und Geld überweisen", erzählt Clemens. Dafür hat er jetzt eine hochmoderne Anlage — mit vielen Vorteilen.

"Es sind etwa 100 Gramm mehr Ertrag pro Pflanze", rechnet Clemens. Hinzu kommt, dass er die Pflanzen enger und doppelreihig setzen kann. "Der Pflanzabstand beträgt 15 Zentimeter und nicht wie am Boden üblich 35 Zentimeter. Auch die Gefahr, dass Früchte verfaulen, ist bei den "hohen Erdbeeren" geringer. "Wir ziehen die Blüten regelmäßig nach außen, dann wachsen die Früchte trocken und sauber an der Luft", erklärt der Gartenbauer. Praktisch ist auch, dass der Landwirt weniger Pflanzenschutz betreiben muss. Gegen Insekten setzt man zum Beispiel Nützlinge aus, die dann in den Hochbeeten bleiben." Und noch einen Riesenvorteil haben die Stillagen: Sie sparen gut 35 Prozent an Arbeitslohn, denn die Arbeit geht schneller, rückenschonender und müheloser von der Hand.

"In den Niederlanden arbeiten fast alle Erzeuger in den Gewächshäusern mit der Stillage", sagt der Leuther Landwirt. Er selbst hat vor gut zehn Jahren in seinen Gewächshäusern die Hochbeete eingerichtet. Noch hat er aber auch gut 5400 Meter Erdbeerenkulturen auf dem Boden gepflanzt. Das soll nächstes Jahr anders werden. "2014 werde ich nur noch auf Hochbeeten anbauen", sagt der Landwirt, der seinen Hof mit 23 Jahren gekauft hat.

Pflücken dürfen die süßen Früchtchen im Hochbeet allerdings nur Clemens' rund 40 Erntehelfer, denn Selbstpflück-Beete haben sich nach Meinung des Landwirts nicht bewährt. "Die Leute reißen die Erdbeeren oft so grob ab, dass die Triebe beschädigt werden, und viele trampeln über die Pflanzen." Allerdings gilt das nur für Kulturen am Boden. Die nächste Hochstandanlage zum komfortablen Selbstpflücken dürfte nicht lange auf sich warten lassen.

(RP/ac)
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