Nettetal Von der Krippe zum High-Tech-Stall

Nettetal · Was als Unterschlupf begann, hat sich zur Heimat für viele Tiere entwickelt. Der Fortschritt schreitet voran.

Von dem Stall, in dem Maria, Josef und das Christuskind damals Unterschlupf fanden, ist in der heutigen Zeit nicht viel übrig. Aus der einfachen Behausung ist ein High-Tech-Zuhause für Kühe, Schweine und sonstiges Nutzvieh geworden.

Ein solcher Stall ist auch in Nettetal zu finden. In Bocholt lebt Familie Wolfers gemeinsam mit 150 Kühen auf einem Hof. Andreas Wolfers führt den Familienbetrieb, den er von seinem Vater übernommen hat, wie auch sein Sohn den Hof einmal übernehmen wird. Die Zeiten, in denen die Kühe ausschließlich als gewinnbringende Melkmaschinen gehalten wurden, sind lange vorbei. Bei den Wolfers' gibt es sogar eine Art Wellnessbereich für die Tiere. "Wir hatten diesen Bereich erst in Kleinform, dann aber gesehen, wie wichtig er ist und ihn ausgeweitet."

Neben dem herkömmlichen Liegestall, in dem 120 Kühe Platz finden, um sich bequem auf Matratzen niederzulassen, wurde also der offene Wellness-Stall gebaut, der direkt an das Melkkarussell angrenzt. "Kühe mögen es am liebsten bei 10-15 Grad. Aber auch wenn es kälter ist fühlen sie sich wohl, solange sie trocken liegen", sagt Wolfers. Der offene Stall ist unterteilt in drei Bereiche, die alle dick mit Stroh ausgelegt sind und es ermöglichen, sich frei zu bewegen. Im ersten Bereich stehen die trächtigen Tiere, die dort auch ihre Kälbchen zur Welt bringen. Anschließend ziehen sie einen Bereich weiter, wo sie sich von den Strapazen der Geburt erholen können. Im dritten Bereich stehen die Kühe, die "nicht so gut auf den Beinen sind", wie Wolfers sagt.

Rund 30 Kühe finden im Wellnessbereich Platz. Die anderen leben im Liegestall. Aber auch dort wird genaustens darauf geachtet, dass sie sich wohlfühlen. Sie können sich, wann immer ihnen danach ist, hinlegen, was nicht in jedem Stall die Regel ist. Wolfers: "Die Kuh bewegt sich, um zu fressen, zu saufen, und sie möchte auch mal liegen. Unvorstellbar, dass die Tiere angebunden sind. Es ist wichtig, dass sie Platz haben." Weich gebettet auf Matratzen und in einem Stall, der trocken gehalten wird, indem Strohmehl ausgestreut wird, leben die Tiere entspannt. "Früher hatten wir Späne, die waren zwar günstiger, aber haben sich in die Haut der Kühe gebohrt, so dass sie schon mal dicke Gelenke hatten.

Die Hauptprobleme bei Kühen sind Klauenkrankheiten, Euterentzündungen und Unfruchtbarkeit. Letztere wird mit ausgewogener Ernährung vorgebeugt. Für gesunde Klauen wird der Stall zwei Mal täglich von Hand gesäubert, außerdem gibt es von Zeit zu Zeit ein desinfizierendes "Fußbad" für die Tiere. Damit die Euter sich nicht entzünden, muss der Boden trocken bleiben, damit sich keine Keime in die Euter verirren. Außerdem werden die Euter mit lebensmittelverträglichem Desinfektionsmittel besprüht. "Es ist besser, präventiv etwas zu machen, als hinterher zu behandeln", sagt Wolfers. Das seien alles Dinge, die sich im Laufe der der Zeit als wichtig herauskristallisiert hätten. Der 57-Jährige bezeichnet seine ständige Optimierung des Stalls als Investition in die Zukunft. "Natürlich kostet das alles Geld, aber nur so bleibt der Hof zukunftsfähig", sagt er.

Zum melken kommen die Tiere jeden Morgen und Abend in ein Melkkarussell, wo sie langsam durch laufen, bis sie abgemolken sind. Währenddessen kann Wolfers sich die Tiere anschauen, ob es ihnen gut geht und auch die Menge an Milch, die sie geben, wird von einem Computer aufgenommen. Ist es weniger als in den Tagen zuvor, ist das ein Indikator dafür, dass mit der Kuh etwas nicht stimmt. Der Computer schlägt Alarm und Wolfers kann das Tier in den dritten Bereich des direkt angeschlossenen Wellnessstalls leiten. "Wenn die im Strohstall ein Problem haben, kommen die besser damit klar. So haben wir viele Kühe retten können." Zum Schlachter kommen die Tiere nur, wenn es nicht mehr anders geht. "Wir sind eng mit den Tieren verbunden, uns fällt das auch nicht leicht", sagt Wolfers und sein 24-jähriger Sohn fügt hinzu: "Ich kenne bestimmt 80 Prozent unserer Tiere ganz genau." Ohne eine Bindung zu den Tieren und der Leidenschaft für den Beruf würde das alles nicht funktionieren, ist sich die Familie einig. Der Fortschritt bedeutet zwar oft mehr Kosten, dafür aber gesunde, glückliche Tiere, die entsprechend Milch geben. Daher steht als Nächstes auch ein weiterer Stall für 60 Kühe an, der wieder etwas fortschrittlicher sein wird. "Dort werden Laufwege breiter sein", erklärt Wolfers. Auch das wird einiges kosten, stehe aber in keinem Verhältnis, "weil ich weiß, dass es den Kühen so besser geht."

(RP)
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