Nettetal Schwimmen - wichtig wie Lesen lernen

Nettetal · Die vor 101 Jahren gegründete DLRG verliert Jahr für Jahr Mitglieder. Sie hält mit Mühe Angebote aufrecht, findet aber auch im Schulbetrieb wenig Nachwuchs. Dazu können immer weniger Kinder und Erwachsene sicher schwimmen.

 Aktive Kräfte der DLRG Nettetal organisierten die Stadtmeisterschaft im Schwimmen im Kaldenkirchener Nettebad. Es gab einige richtig gute Leistungen, leider fehlten aber Kinder und Jugendliche, die vorher gemeldet hatten.

Aktive Kräfte der DLRG Nettetal organisierten die Stadtmeisterschaft im Schwimmen im Kaldenkirchener Nettebad. Es gab einige richtig gute Leistungen, leider fehlten aber Kinder und Jugendliche, die vorher gemeldet hatten.

Foto: Busch

In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts konnten nur zwei bis drei Prozent der Bevölkerung schwimmen. Jährlich ertranken seinerzeit etwa fünftausend Menschen. Im vergangenen Jahr ließen noch 446 Menschen ihr Leben im Wasser. Maßgeblich trägt die Deutsche Lebensrettungs-Gesellschaft - DLRG - dazu bei. Allerdings gibt es alarmierende Entwicklungen. Die DLRG verliert Mitglieder, gleichzeitig können immer weniger Kinder sicher schwimmen.

Die DLRG gründete sich 1913 in Leipzig und verzeichnete ein Jahr später bereits mehr als 400 Mitglieder. Im Raum Schwalm-Nette, Kempen und Viersen wurden erst ab 1970 Bezirke gegründet, aus denen im Zuge der kommunalen Neugliederung der Großbezirk Viersen entstand. Heute sind im Kreis zwölf Ortsgruppen vereinigt. "Bei uns in der DLRG-Ortsgruppe geht die Mitgliederzahl inzwischen grundsätzlich nach unten", berichtet Nettetals Ortsvorsitzender Martin Buckenhüskes. "Der Mitgliederschwund begann vor zehn Jahren, es ist seither nur eine Hand voll neue Mitglieder zu uns gestoßen."

Buckenhüskes ist bekümmert und zugleich alarmiert: "Heute können mehr als die Hälfte der Grundschulkinder in der vierten Klasse nicht sicher schwimmen", berichtet er. Er stelle sich die Frage, wie es soweit kommen konnte. Im Sportunterricht finde zwar auch Schwimmunterricht statt. Doch Lehrkräfte müssten dabei ihren Platz so wählen, dass sie alle im Wasser befindlichen Kinder sehen können. Sie dürfen sich nicht gleichzeitig mit ihnen im Wasser aufhalten. Dies schreibt die Sicherheitsmaßnahmen-Verordnung zwingend vor.

Andere Faktoren führt Buckenhüskes auf die klammen kommunalen Kassen zurück. Schwimmbäder würden schließen, Fachpersonal fehle und an etlichen Grundschulen werde überhaupt kein Schwimmunterricht erteilt. Die Folge: Immer weniger Kinder lernen das Schwimmen. Die DLRG bietet gerade für Kinder eine "Wassergewöhnung" an, erst dann beginnt die eigentliche Schwimmausbildung. Buckenhüskes plädiert für mehr Schwimmkurse, warnt gleichzeitig aber, dass zum sicheren Schwimmen nicht alleine der Besitz des Seepferdchens reicht. "Dazu gehört vor allen Dingen die Schwimm-Praxis. Hundert Meter Schwimmen, ohne sich festzuhalten, fördert die Ausdauer", sagte er. Die DLRG bedaure sehr, dass Eltern heutzutage ihre Kinder nicht mehr in Schwimmvereinen anmelden und immer seltener oder gar nicht mehr mit ihren Kindern zum Schwimmen gehen. Zunehmend mehr Erwachsene könnten deswegen selbst nicht schwimmen und genierten sich, ins Wasser zu gehen. Schwimmen lernen sollte so selbstverständlich sein wie lesen und schreiben.

Die DLRG bietet Kindern und Erwachsenen Einzel- und Gruppen-Schwimmkurse für Anfänger und für Fortgeschrittene an. Wasser ziehe kleine Kinder magisch an, allein deswegen müssten Eltern möglichst früh dafür sorgen, dass sie schwimmen lernen. Verlören Eltern den Nachwuchs am Wasser nur ganz kurz aus den Augen, "ist es schon passiert, das Kind springt oder fällt ins Wasser", warnt Martin Buckenhüskes.

Die DLRG kann aus ihrer eigenen Auszehrung keine bewachten Badestellen mehr garantieren. In Nettetal ist es nur noch im Nettebad möglich, wo professionelle Kräfte den Badebetrieb überwachen. Über 25 Jahre hat die DLRG den Wachdienst für die Bevölkerung an den Badeseen aufrecht gehalten. Die Wachstationen am Poelvenn, Hinsbecker Bruch (Krickenbeck), Nettebruch, Quellensee und Wittsee wurden nach und nach abgebaut. "Früher versahen 25 bis 30 Jugendliche den Wachdienst an Seen", erinnert sich Walter Brandt. "Heute ist es schwierig, Jugendliche oder überhaupt freiwillige Kräfte zu gewinnen", bestätigt Buckenhüskes.

An Wochenenden gab es Rettungsstunden für die Bevölkerung, abgenommen wurden Schwimmscheine (Grundschein, Leistungsschein und Lehrschwimmschein). Heute bietet die DLRG Kurse und die Abnahme der Scheine und Rettungsschwimmer-Lehrgänge im Nettebad und im Lehrschwimmbecken Breyell an. Für die Ausbildung von Schwimmanfängern sucht die DLRG nach Ausbildern und Hilfskräften, die Kinder an Wasser gewöhnen.

(ivb)
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