Nettetal Schausteller fühlen sich allein gelassen
Nettetal · Auf dem Hubertusplatz in Schaag blieben die Schausteller am Wochenende weitgehend unter sich. Sie können mit ihren Einnahmen nicht einmal ihre Kosten für Standmiete und Strom bezahlen. Vorwürfe gelten auch der Stadt Nettetal.
Stellen Sie sich vor, es ist Kirmes, und keiner geht hin. Die Schausteller in Schaag haben es am Wochenende hautnah erlebt. Entenangeln, Dosenwerfen, eine Verlosung, Schießbude, eine Zuckerbäckerei und natürlich der Imbisswagen mit Fisch, Pommes und Currywurst sind aufgebaut. Es fehlen aber ein Kinderkarussell, und erst recht eine Raupe oder ein Autoskooter. Das ist die traurige Bilanz der Schaager Kirmes.
Auf dem Hubertusplatz herrscht gähnende Leere. Erst am Abend versammeln sich Besucher am Imbisswagen. "Der geht immer", sagt Theresa Schmitt aus Schaag, die mit ihrem Entenangeln seit Jahrzehnten auch auf kleineren Kirmesplätzen zu Hause ist. Die Schausteller stehen zusammen. Sie diskutieren aufgebracht und sind sauer. "Man hat fast das Gefühl, man will uns hier nicht", sagt Mira Lehmann aus Wankum, die Dosenwerfen anbietet. "Ich bin in diesem Jahr förmlich bekniet worden, doch zu kommen", sagt sie. Doch die Stadt sei ihr mit nichts entgegengekommen.
Peter Botschen von der Schießbude bringt es auf den Punkt. "Ich stehe gerne auf den kleineren Plätzen, aber wir bekommen nicht einmal das Standgeld oder die Stromkosten heraus", schimpft er. Andere Kommunen nähmen kein Standgeld und viel weniger Geld für Strom. "Die Orte wollen, dass eine Kirmes stattfindet", ärgert er sich. "Schauen Sie die Stromkosten an. Wir bezahlen für die Bereitstellung des Trafos, obwohl der immer hier steht, wir zahlen für den Anschluss, wir stecken unsere Kabel nur herein und zahlen dann noch viel Geld für die Kilowattstunde", sagt Peter Botschen. Er habe den Eindruck, in Nettetal seien Schausteller unerwünscht.
Das sei nicht nur in Schaag so, "außer in Leuth, da ist immer viel los", sagt Theresa Schmitt. Aber in Leuth würden die Bürger eindringlich zum Kirmesbesuch aufgerufen, weiß sie. Auch die Eheleute Gehrmann aus Kaldenkirchen, die mit der Verlosung hier stehen, verstehen die Welt nicht mehr. Sie zeigen eine Quittung der Stadt. "Zehn Euro für Werbung, für welche Werbung?", fragen sie enttäuscht. Dabei sei ein kleiner Kirmesmarkt familiärer, idyllischer, sagen die Schausteller.
Der siebenjährige Henri kommt — mit seinem Opa. Er kniet sich auf die Theke beim Dosenwerfen. Mit drei Würfen räumt er alle Dosen ab. Er darf sich etwas aus dem großen Angebot aussuchen. Fünf Euro hat sein Opa bezahlt, "davon kann ich nicht leben", stellt Mira Lehmann fest.
Auf der Hinsbecker Kirmes sei sie sonntags mit elf Euro Einnahme nach Hause gegangen. Eine Familie mit zwei Kindern kommt, doch geht sie vorbei. "Hier ist nicht einmal ein Kinderkarussell", sagen die Eltern enttäuscht. "Nächstes Wochenende ist Hoppeditzerwachen, dann sind Hunderte Menschen hier, warum kann man dann nicht gleichzeitig die Kirmes feiern", fragt sich Theresa Schmitt. "Aber die Vereine wollen in die eigene Tasche wirtschaften", sagt sie resigniert.
Die Gehrmann sind auch verärgert. "Wir bekommen nicht einmal die Kosten für einen Beutel Lose heraus, die wir ja auch kaufen müssen." Peter Botschen muss die Gewehrabnahme und das Blei bezahlen, seine Einnahmen reichen dafür nicht. Hans Gehrmann steht seit 35 Jahren auf Kirmesplätzen. "Er steht hier, weil er nicht loslassen kann", sagt seine Ehefrau. Loslassen können Schausteller alle nicht, "das ist unser Leben, dafür leben wir", sagen sie. Sie wollen weitermachen, für die Kirmes für das Brauchtum. "Steht Kirmes nicht für Kirchweih?", sinniert Theresa Schmitt. Eine Antwort erhält sie nicht.