Nettetal Scannen, pinnen, eintüten

Nettetal · Bürgermeister Christian Wagner und Sozialdezernent Armin Schönfelder kassierten gestern zur Eröffnung eines Drogeriemarktes ab: 4600 Euro nahmen sie in der Stunde ein. Skater und Integrationsrat erhalten je die Hälfte.

Ältere Männer halten Kinder hoch über ihre Köpfe. "Das ist der Bürgermeister. Der arbeitet." Man weiß nicht, welch bleibenden Eindruck ein Bürgermeister bei etwa dreijährigen Kindern hinterlässt, der leibhaftig in einer Traube von zahlreichen Menschen vor einer Scannerkasse sitzt – und nichts tut.

Von Arbeit kann bei der Neueröffnung eines Drogeriemarktes an der Poststraße zunächst nicht die Rede sein. Die hat zumindest nicht der Bürgermeister. Mitarbeiterinnen des Unternehmens schwirren umher, tippen Codes ein und warten. Die Kasse verweigert den Dienst, just als Christian Wagner Platz genommen hat und scannen will.

Eine Stunde kassieren

Eine Stunde lang sitzt er heute hier. Alles, was er in dieser Zeit über den Scanner zieht und abrechnet, geht nicht in die Kasse des Geschäfts. Profitieren sollen je zur Hälfte Jugendliche, die für eine Skateranlage im Kaldenkirchener Kreuzmönchdorf arbeiten, und der Integrationsrat. Das kürzlich neu gebildete Gremium will das Geld verwenden mit dem Ziel, Sprachkurse für Kinder und Jugendliche zu organisieren sowie Hausaufgaben- und Nachhilfe jenen Kindern zu ermöglichen, die Sprach- und Lernschwierigkeiten haben.

Das beeindruckt an diesem hochprozentigen Einkaufsmorgen nicht jede Kundin. Mit einem verächtlichen "Pffft" meidet eine Mutter mit Kind bewusst die bürgermeisterliche Kasse. "Der übliche öffentlichkeitswirksame Popanz" werde hier aufgebaut, sagt sie. Auf Wagner ist sie nicht gut zusprechen. Ihre Wut über die Gesamtschuldiskussion und Argumente des Bürgermeisters hat sich nicht gelegt.

Andere Bürger bringen dagegen eine Engelsgeduld auf, die Kunden sonst üblicherweise vor Kassen von Supermärkten abgeht. Sie wollen sich vom Bürgermeister abkassieren lassen. Jetzt funktioniert der Scanner, Wagner zieht mit ernstem Eifer Shampoo, Babynahrung in Gläschen, Haferflocken, Kosmetika, Deo- und Haarspray, Toilettenpapier, Saft, Spültücher, Kosmetikspiegel und andere Waren über das Gerät. Vieles muss er anpacken, wie man es von einem Bürgermeister im Rathaus erwartet. Er dreht und wendet es um und um, bis endlich der Scanner signalisiert, dass er den Barcode erkannt hat. Das ist im verwaltungspolitischen Leben dann doch anders. Hier klickt kein Scanner an der richtigen Stelle, die muss man selbst herausfinden.

Das geht am besten im Team. Sozialdezernent Schönfelder fällt im korrekten dunklen Anzug optisch aus dem Rahmen. Er tütet ein, was ihm sein Chef über das Transportband serviert. Hier und da begleiten dann doch misstrauische Blicke das Tun der beiden Männer. Andere Kundinnen zücken den Fotoapparat und halten den denkwürdigen Augenblick fest. Der Bürgermeister rundet ab, kassiert in bar oder bearbeitet EC-Karten. Am Ende hat er 4600 Euro eingenommen.

(RP)
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