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Außergewöhnliches Hobby Puppenspielen für Erwachsene

Nettetal · Die 30-Jährige Marischka Zaun alias „Mary“ ist mit ihrem Youtube-Kanal sehr erfolgreich. In ihren Videos lebt die Nettetalerin ihr Hobby aus – als sogenannte Reborn-Mami sorgt sie für lebensecht aussehende Puppen

 Marischka Zaun aus Nettetal hat einen Youtube-Chanel über lebensechte Babypuppen.

Marischka Zaun aus Nettetal hat einen Youtube-Chanel über lebensechte Babypuppen.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Obwohl sich Milan, Melina und Deliah ein Kinderzimmer teilen, ist es still. Kein Quengeln, kein Geschrei, kein Lachen. Ihre „Mutter“ Marischka Zaun sitzt entspannt zwischen den Kleinen. Sie ist eine sogenannte Reborn-Mami. Ihre drei lebensechten Reborn-Puppen sind kaum von menschlichen Babys zu unterscheiden. Die Nettetalerin inszeniert ihre Puppen auf dem Youtube-Kanal „Little Reborn Nursery“. Das bedeutet soviel wie „Kindergarten für kleine Wiedergeborene“. Für den Einen mag die Vorstellung befremdlich sein, für den Anderen ist es ein leidenschaftliches Hobby. Das Sammeln und Inszenieren der Puppen scheint für Reborn-Mamis wie eine feminine Form des Modelleisenbahn-Sammelns zu sein.

Eine eigene Welt in Videos

In ihren Videos tritt Marischka Zaun als „Mary“ auf. Mary erschafft eine eigene Welt, in der sie Alltagsszenarien in ihrer Wohnung, auf dem Spielplatz oder in der Fußgängerzone aufbaut. Wie in einem lebensgroßen Puppenhaus. Ein einfaches Kinderspiel ist es für sie jedoch schon lange nicht mehr. Was als Hobby begann, ist für die 30-Jährige nun ihr Hauptberuf. Ihr Youtube-Kanal ist so erfolgreich, dass sie von dem Geld der Werbeeinblendungen leben kann. Ihren Videoblog hat die gelernte Kinderpflegerin im Januar 2016 eröffnet. Seitdem steigt ihre Zuschauerzahl monatlich stetig an. Inzwischen hat sie mehr als 23.000 Abonnenten. Das Video mit den meisten Klicks wurde mehr als 273.000-mal angeschaut.

 Die Puppen wirken lebensecht.

Die Puppen wirken lebensecht.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Schon seit ihrer Kindheit hat Mary eine Vorliebe für Puppen. Als sie im Jahr 2000 im Internet zufällig auf die Reborn-Puppen stößt, ist sie von deren Echtheit fasziniert und bleibt dran. Ihre erste Puppe, Sophia, kauft Mary 2004. Die Idee, einen Videokanal zu eröffnen, hat Mary erst 2015. Bis dato lebt sie ihr Hobby alleine aus und ahnt noch nicht, dass so viele Frauen ihre Leidenschaft teilen.

Mit Sophia fing es an

Die Idee, einen Youtube-Kanal zu eröffnen, kommt Mary, als sie im Internet nach Reborn-Videos sucht. Videos mit „Wow-Effekt“ in deutscher Sprache kann sie nicht finden. „Ich dachte mir, dass es nichts bringt, sich über den fehlenden Markt aufzuregen. Besser selbst aktiv werden, etwas produzieren, das auch anderen Leuten gefällt“, sagt sie. Von der Idee bis zum ersten Video dauert es einen Monat. Seitdem lädt Mary wöchentlich rund zwei Videos hoch. Besonders gut läuft der Kanal in den kälteren Monaten, wenn die Zuschauer mehr Zeit zu Hause vor dem Computer verbringen.

Von ihren Abonnenten bekommt Mary viel Zuspruch, aber auch Verbesserungsvorschläge. Ihre Fans geben ihr Kraft und neuen Mut, sagt sie. Über Hasskommentare kann Mary hinwegsehen. Die positive Resonanz überragt. „Es gibt immer Menschen, die die Anonymität des Internets nutzen, um ihre Wut zu verbreiten. Persönlich würden sie sich niemals trauen, Menschen zu beleidigen“, sagt Mary.

„Viel Zuspruch von Abonnenten“

Bei der Videoproduktion achtet sie besonders auf ihre Selbstdarstellung. Ein guter Ruf ist ihr wichtig, ihre Sprache ist zuvorkommend und freundlich. So wie sie auch im echten Leben mit Menschen sprechen würde. Meistens filmt sie sich selbst, gelegentlich hilft ihre Schwester bei den Aufnahmen – auch, um einen Perspektivwechsel zu zeigen. Mary möchte unterhalten und die Fantasie der anderen Puppensammler und Zuschauer anregen. Momentan kümmert sie sich um zwei Babys und einen Toddler, eine Kleinkindpuppe: Milan, Deliah und Melina. Jeder der drei Babypuppen schreibt Mary individuelle Charaktereigenschaften zu. So lassen sich Alltagssituationen besonders authentisch nachspielen, erklärt sie. Mary knuddelt ihre Babys und spricht mit ihnen. Sie möchte authentisch wirken: „Die Puppen in der Öffentlichkeit zu inszenieren, ist schwieriger, als im eigenen Zimmer.“ Beobachter bemerken nicht sofort, dass es sich nur um Puppen handelt. „Ich möchte unnötigen Diskussionen oder Rechtfertigungen aus dem Weg gehen, denn das würde mir die Freude an meinem Hobby nehmen.“

Mary achtet besonders in der Öffentlichkeit darauf, wie sie mit den Puppen umgeht. So ist ihr beispielsweise wettergerechte Kleidung wichtig: „Sonst könnte passieren, dass ich angesprochen werde, weil sich die Leute um das Wohlbefinden der Babys sorgen.“ Wenn Mary draußen mit ihren Puppen spazieren geht, bekommt sie auch gelegentlich Zurufe: „Ach wie süß, schau mal, das Baby schläft.“ Auch diskutieren Beobachter des öfteren, ob die Babys echt seien oder nicht. „Viele Menschen wollen gar nicht glauben, dass die Babys lediglich Puppen sind“, berichtet Mary.

Auch wettergerechte Kleidung ist wichtig

Die Herstellung eines Reborn-Babys erfordert viel Geduld und stundenlange Handarbeit. Die Puppenrohlinge werden maschinell hergestellt, anschließend verarbeiten die sogenannten Reborner die Rohlinge in ihren kleinen Heimwerkstätten. Sie präparieren Wimpern und Härchen einzeln, malen Äderchen oder auch Storchenbisse fein auf. Das Duplikat eines echten Babys wird „Realborn-Baby“ genannt. Eine gute Puppe kostet meistens zwischen 500 bis 800 Euro. Ganz besonders realistische Puppen können mehrere Tausend Euro kosten.

In ihre Puppenfamilie investiert die Youtuberin monatlich ungefähr 50 bis 80 Euro. Das Geld gibt Mary für Kleidung, Spielzeug, Kindermöbel oder sogar auch Windeln aus. Für teurere Anschaffungen wie zum Beispiel einen Kinderwagen spart sie mehrere Monate. Inzwischen bekommt Mary auch gelegentlich Geschenkpakete von ihren Youtube-Fans. Das rührt sie sehr. Aktuell hat Mary ein neues Kinderzimmer eingerichtet, sodass sie ihre Videos interessanter und spannender gestalten kann.

„Die Reborn-Sammler wissen, dass es sich bei den Babys nur um Puppen handelt“, betont Mary. Trotzdem ist für viele der Gedanke komisch, dass die Reborn-Puppen auch nach einiger Zeit von ihren Mamis weitergegeben werden können. Mary fällt ein Abschied zwar schwer, jedoch gehört er für sie auch dazu. „Wenn es nicht mehr anders geht, muss man ein paar Tränen vergießen und sich trennen. Geschmäcker ändern sich, so muss ich mir auch Platz für neue Ideen schaffen. Der ständige Wandel macht das Hobby gerade interessant. Nur so kann es facettenreich und individuell sein.“ Für Mary ist jede einzelne Puppe ein Kunstwerk: „Kunstwerke sind austauschbar. Wenn auf dem Markt neue Puppen-Bausätze erscheinen, dann verliebe ich mich schon einmal. Aber das ist alles materiell. Das eigene Leben und die echte Familie sind viel wichtiger.“

„Puppen sind mein Ruhepol“

Der Vorteil gegenüber echten Kindern ist, dass Mary die Puppen beiseite legen kann, wenn sie ihre Ruhe haben will. Sie brauchen weniger Zeitaufwand, müssen nicht gefüttert werden oder die Windeln gewechselt bekommen. „Ein Nachteil ist die fehlende Emotionalität. Es gibt keinen Entwicklungsprozess der Babys“, sagt Mary. „Aber das vermisse ich auch nicht. Es sind schließlich nur Puppen. Sie sollen auch kein Kinderersatz sein. Sie sind mein Ruhepol.“

Marys Ziel ist es, ihr Hobby anderen Frauen näher zu bringen. Leidenschaftliche Puppenliebhaber sollten ihre Babypuppen nicht verstecken müssen, findet sie. Mary möchte mit den Videos Frauen erreichen, die mitten im Leben stehen. Frauen, die Babys lieben und auch schon eigene Kinder haben. „Wer Babys süß und niedlich findet, kann schließlich nicht jedes Jahr ein neues auf die Welt bringen“, sagt die 30-Jährige. Mit ihren Reborn-Babys kann sie lebensecht aussehende Babys hüten, die nicht altern. Für immer.

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