Nettetal Ohne Heimat kann man nicht leben

Nettetal · Der Neujahrsempfang für Flüchtlinge im Rathaus geriet zu einem beeindruckenden Fest der Kulturen mit vielen Begegnungen. In Erinnerung bleiben aber auch ernste Momente voller Wehmut.

 Menschen ganz unterschiedlicher Kulturen führte der Neujahrsempfang mit und für Flüchtlinge im Rathaus der Stadt Nettetal zusammen. Sie bestritten den größten Teil des Programms und dankten für die freundliche Aufnahme.

Menschen ganz unterschiedlicher Kulturen führte der Neujahrsempfang mit und für Flüchtlinge im Rathaus der Stadt Nettetal zusammen. Sie bestritten den größten Teil des Programms und dankten für die freundliche Aufnahme.

Foto: Busch

Ein Lied, das zu Herzen ging: "Ohne Heimat kann man nicht leben", sangen syrische Flüchtlinge in ihrer Landessprache. Erst zaghaft, dann immer munterer. Sie tanzten dazu, anfangs verhalten, schließlich mit Leidenschaft. Und immer mehr Gäste klatschten und tanzten mit. So wurde der eigens für sie organisierte Neujahrsempfang zum bewegenden Fest in der übervollen Cafeteria im Rathaus.

"Es war am Anfang nicht leicht", erzählte Rula Al Hussari. Aus ihrer Heimat Syrien musste sie fliehen, vor drei Monaten kam sie nach Nettetal. Alles war neu, vieles fremd. Doch Rula stellte sich der Herausforderung und freute sich über hilfsbereite Menschen. Sie lernte so schnell und so gut die Sprache, dass sie ihre kleine Ansprache auf Deutsch halten konnte: "Unsere Aufgabe ist es, uns zu integrieren", sagte Rula.

Integration ja, Aufgabe der Identität nein: Ihre Kultur, kurdisch beispielsweise oder afrikanisch, stellten Flüchtlinge musikalisch vor. Das taten sie mit so viel ansteckender Begeisterung, dass auch gesetzte Gäste sich mitreißen ließen. Stadträte und Pfarrer, Vertreter von Verbänden und Vereinen, viele Bürger waren zum "Neujahrsempfang mit und für Flüchtlinge" gekommen.

"Wir wollen alles tun, Ihnen den Start zu ermöglichen", versprach Bürgermeister Christian Wagner. Dank aller Redner galt den Initiatoren des Empfangs: Flüchtlingsrat, Integrationsrat, Kirchengemeinden und ehrenamtlichen Bürger. Bei allem Lob und Dank wurden die Widrigkeiten der Realität nicht ausgespart: Was die Neubürger durchmachen mussten, die vor politischem oder religiösem Terror flohen, "das können wir uns wahrscheinlich gar nicht vorstellen", gab Wagner zu.

Dass Reden allein nicht reichen, machte Ina Prümen-Schmitz deutlich. Die Leiterin des Sozialamtes begrüßte "viele bekannte Gesichter". Sie hatte sofort Kontakt zu Flüchtlingen gesucht, das Kennenlernen zum Prinzip erhoben. Sie ermunterte alle deutschen Gäste: "Seien Sie mutig, gehen Sie hin!" Das ergab sich wie von selbst in der Enge des Saales: Gespräche, Komplimente für die Lieder und Leckereien der Flüchtlinge, Händeschütteln und Schulterklopfen.

Nach so viel Kultur aus anderen Ländern kündigte Beate Engelke vom Flüchtlingsrat "deutsches Brauchtum" an - und begrüßte als Überraschungsgäste das Nettetaler Karnevalsprinzenpaar Hans-Gerd Hauser und Susanne Hauser-Glitz nebst Hofstaat. Schunkellieder, natürlich. Aber auch ernste Worte vom Prinzen, der versprach, bei der Tournee durch die Sitzungssäle eine Schatztruhe als Spendenbox füllen zu lassen "für Sprachkurse, für Integration, für unsere Zuwanderer". Beifall erhielt er für sein Kolping-Zitat "Wer Menschen gewinnen will, muss sein Herz als Pfand einsetzen." Geduldig posierte die jecke Schar für Selfies mit Flüchtlingen, die bald mitschunkelten und die Arme hochrissen: "Nettetal helau!" Spaß und Stimmung beim Empfang, alles erfrischend locker. In Erinnerung indes bleiben auch die ruhigen Momente voller Gefühl und Wehmut, ja Rührung. Etwa wenn sie erzählten, sangen oder musizierten - wie Sikandar und Rula, Nimet und Ayran, Victor und Mammadou. Ergreifend wurde es, als Sarpong aus Ghana voll Inbrunst seine Heimat besang: "Afrika. Afrika!"

(jobu)
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