Erster Beigeordneter in Nettetal „Ein Zurück gibt es immer“

Der Erste Beigeordnete ist gut 100 Tage im Amt. Ein Gespräch über seine Arbeit und die Werner-Jaeger-Halle.

 Zur nächsten Ratssitzung am 9. Juli ist Michael Rauterkus (45) seit 100 Tagen im Amt des Ersten Beigeordneten.  RP-Foto: Jörg Knappe

Zur nächsten Ratssitzung am 9. Juli ist Michael Rauterkus (45) seit 100 Tagen im Amt des Ersten Beigeordneten. RP-Foto: Jörg Knappe

Foto: Knappe, Joerg (jkn)

Am 1. April haben Sie ihr Amt angetreten. Sind Sie angekommen?

Michael Rauterkus Dienstlich und in den Themen bin ich größtenteils angekommen, aber manches fehlt noch. Und die letzte Kiste steht noch unausgepackt im Büro.

Was fehlt?

Rauterkus Der Start war sehr arbeitsreich. Nach der langen Vakanz zwischen meinem Vorgänger und mir war es klar, dass ich direkt einsteigen musste. Am 10. April war dann auch die erste Sitzung des Betriebsausschusses des Nette-Betriebs, und schon am 1. Februar war Auftakt für den Jour fixe zur Sanierung der Werner-Jaeger-Halle, wo ich im Grunde inoffiziell schon dabei war.

Wie haben Sie den Einstieg erlebt?

Rauterkus Ich bin gut eingearbeitet in Dingen, die eilig sind, denn im Moment wird durch die Sache gesteuert, in welche Themen ich springe. Zum Beispiel kenne ich die Pläne der Kindertagesstätte St. Anna in Schaag wegen des aktuellen Feuchtigkeitsschadens besser als die von anderen Kitas. Alles, was nicht ganz dringend ist, steht gerade zurück.

Wie haben Sie sich die Stadt erschlossen?

Rauterkus Mit den Ortsvorstehern mache ich Begehungen der Stadtteile, was fast abgeschlossen ist. Außerdem sind Termine wie der 30. Geburtstag der Stadtbücherei gute Gelegenheiten, um alles näher kennenzulernen. Dazu bin ich im Austausch mit den Kirchen, und ein Besuch der Biologischen Station ist für die Sommerpause terminiert.

Mit dem Wechsel gab es auch eine Neustrukturierung der Verwaltung; fünf Geschäftsbereiche statt drei Dezernate. Was sind Ihre Aufgaben?

Rauterkus Mein Geschäftsbereich umfasst das Verwaltungs- und Infrastrukturmanagement. Damit bin ich für die Bereiche Personal, Organisation und IT zuständig. Dazu kommen noch der Nette-Betrieb und das Thema E-Government, da sind wir gerade im Aufbau und wollen einen großen Schritt nach vorne machen.

Was planen Sie?

Rauterkus Wir wollen, dass der Bürger irgendwann für viele Dinge nicht mehr zum Amt kommen muss. Zum Beispiel könnte man Bebauungspläne online einstellen, damit jeder direkt sehen kann, wie er auf welchem Grundstück bauen dürfte. Das ist technisch sehr aufwendig, aber da sind wir dran.

Wo ist die Stadtverwaltung noch nicht gut aufgestellt?

Rauterkus Bei der Förderung des Ehrenamtes haben wir beispielsweise angesetzt, inzwischen sind wir dort sehr gut aufgestellt. Das Ehrenamtskonzept soll nun in andere Bereiche transportiert und mit einem Ehrenamtsbeauftragten personell verstetigt werden. Außerdem haben manche Kollegen ein dickes Polster an Überstunden, da müssen wir aufstocken. Dazu gibt es Beschlüsse, und die Vorlage ist da, aber es wird eine Herausforderung, Leute zu gewinnen. Gerade bei Ingenieuren und Architekten wird das schwer fallen.

Wie viele zusätzliche Stellen sind vorgesehen?

Rauterkus Im Nette-Betrieb sind es 9,1 Stellen, in der Verwaltung sind zusätzliche 6,7 Stellen vorgesehen.

Die Sanierung der Werner-Jaeger-Halle soll deutlich teurer werden als gedacht. Sie waren nicht von Anfang an involviert, aber wie rechtfertigen Sie das vor den Bürgern?

Rauterkus Es gibt zwei Kostenfaktoren. Da sind einmal die Schadstoffe, zu denen die Erhebungen bei der ersten Kalkulation noch nicht abgeschlossen waren. Das Gesamtprojekt läuft seit 2014. Wir wussten, dass an der Außenfassade Asbestplatten sitzen, die müssen wir entfernen. Dann wurde noch PCB gefunden, und ich gehe davon aus, dass niemand in der Bevölkerung ernsthaft möchte, dass wir das nicht entfernen. Man muss aber auch bedenken, dass sich die Anforderungen an die Beseitigung von Schadstoffen verändert haben. Man kann nicht alles in einen großen Container tun.

Daneben stehen die Baukosten.

Rauterkus Kosten, die wir 2016 angegeben haben, sind heute nicht mehr realistisch. Das weiß jeder Bauherr. Es ist sehr schwierig, Kosten in der heutigen boomenden Baukonjunktur realistisch zu schätzen. Das sehe ich auch als Geschäftsführer des Krankenhauses beim derzeitigen Anbau.

Und welche Summe ist nun final?

Rauterkus Wir wollen zum Betriebsausschuss am 3. Juli beziehungsweise zur Ratssitzung am 9. Juli eine valide Zahl für die Schadstoffsanierung vorlegen. Die wird siebenstellig sein.

Ginge es nicht günstiger, also beispielsweise kleiner?

Rauterkus Für die 1970er-Jahre war es eine gute Halle. Das war schon damals nicht der billige Jakob. Das wollen wir heute auch. In der Region kennt man das Gebäude, es ist ein Aushängeschild. Und viele Künstler kommen erst ab einer gewissen Platzanzahl.

Und einfach Abriss und Neubau?

Rauterkus Viele Kostenpositionen müssen ohnehin aufgewendet werden. Die Kosten für die Schadstoffentsorgung beispielsweise blieben bestehen. Und die Kosten für Technik und Ausstattung fallen so oder so an, ob man sie nun in einen Neubau oder die sanierte Werner-Jaeger-Halle einbaut.

Gerade in sozialen Medien wurde kritisiert, dass die Verwaltung mit der Kostensteigerung lange hinter dem Berg gehalten hat.

Rauterkus Wir wollen transparent sein, deswegen sind wir im Mai mit vorläufigen Zahlen an die Öffentlichkeit gegangen. Das ist ein neues Vorgehen der Verwaltung.

Wie kommt das an?

Rauterkus Das ist für alle etwas Neues und war für manche schwierig, aber es war klar, dass wir es nicht anders machen können. In Hamburg gibt es ja sogar ein Transparenzgesetz, und bei der Werner-Jaeger-Halle war das Thema auch kein Streitpunkt. So müssen wir als Stadt aufgestellt sein.

Wie geht es weiter?

Rauterkus Es ist wichtig, dass wir zu einer Entscheidung kommen. Sonst verlieren wir auch die Fördermittel in Höhe von 2,4 Millionen Euro. Es gibt eine zeitliche Befristung der Zusage.

Also gibt es kein Zurück?

Rauterkus Ein Zurück gibt es immer. In der Politik gibt es immer Alternativen. Was aber gesetzt ist: dass wir eine Halle haben wollen. Und eine Schulaula für das Gymnasium, und das Ganze soll nicht aussehen wie eine Turnhalle. Wenn wir das so umsetzen wollen, ist es auch mit Kosten verbunden. Sie dient dafür aber auch vielen Menschen aus Nettetal und darüber hinaus.

Wie ist der aktuelle Stand in der Kita St. Anna?

Rauterkus Wir haben die Container hingestellt, Wasser und Strom sind angeschlossen und die Möbel desinfiziert. Die Kinder ziehen in diesen Tagen um, das entscheidet die Leiterin.

Wie haben die Eltern den Feuchtigkeitsschaden im Gebäude und den kurzfristigen Umzug aufgenommen?

Rauterkus Wir haben null Elternbeschwerden. Als wir das Gutachten hatten, haben wir sofort gehandelt. Von der Leiterin habe ich gehört, dass die Übergangsphase gut klappt. Jetzt sind wir in der Pflicht, die Ursache zu finden.

Bleibt es bei den angesetzten sechs Monaten für die Sanierungsarbeiten?

Rauterkus Wir haben mit sechs Monaten realistisch geschätzt. Die werden wir auch brauchen, gerade mit den Schwierigkeiten, im Baugewerbe jemanden zu finden.

Was ist denn nun die Ursache für die Feuchtigkeit?

Rauterkus Finale Aussagen können wir erst treffen, wenn der Boden auf ist und der Gutachter seinen Bericht vorlegt.

Wann wird das sein?

Rauterkus Wir erwarten es nächsten Monat.

Damit sind Sie derzeit viel auf Baustellen unterwegs.

Rauterkus Es geht eigentlich. Vielmehr ist von der Planung, beispielsweise der neuen Kita am Trappistenweg, bis zur konkreten Ausführung wie in Schaag alles dabei.

Wie soll die geplante Kita am Trappistenweg aussehen?

Rauterkus Sie wird der nächste wichtige Baustein bei der Umsetzung unserer Cradle-to-Cradle-Strategie zur Nachhaltigkeit sein. Dafür haben wir die Architektin gewinnen können, die schon den Kindergarten Felderend in Breyell entworfen hat. Am Trappistenweg wird man sehen, dass wir noch einen Schritt weiter gegangen sind als in Breyell.

Was bedeutet das konkret?

Rauterkus Die Kita Felderend ist schon ein exzellentes Beispiel für Cradle-to-cradle. Allerdings ist dort im Nassbereich Epoxidharz im Boden. Das kriegt man nicht raus, das können Sie nur verschrotten. Für Kaldenkirchen haben wir etwas gefunden, das recycelbar ist. Das ist aber nur ein Punkt und wird nicht das einzige Beispiel bleiben.

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