Sommerinterview „Wir brauchen einen Neustart“

Der Bürgermeister und der Wirtschaftsförderer über die Zukunft des Venete-Areals und was in Nettetal sonst ansteht

 Noch steht das Venete-Schild. Inzwischen bewirbt die Stadt das Gewerbegebiet allerdings mit dem Namen Nettetal-West.

Noch steht das Venete-Schild. Inzwischen bewirbt die Stadt das Gewerbegebiet allerdings mit dem Namen Nettetal-West.

Foto: Knappe, Jörg (jkn)

Venete heißt jetzt Nettetal-West. Warum?

Wagner Es war klar, dass wir einen Neustart brauchen, wenn wir in die Eigenvermarktung gehen. Wenn man Venete bei Google eingibt, kommen wenige Erfolgsmeldungen. Deswegen wollen wir sofort einen neutralen Namen verwenden. Ob das auch der endgültige wird, entscheidet die Politik.

Ist der Name Venete verbrannt?

Wagner Venete ist ein Kunstname und passt nicht mehr. Er ist nicht mehr erklärbar. Als das Gewerbegebiet geplant wurde, war Tegelen noch eigenständig. Seit 2001 gehört es zu Venlo. Und spätestens seit der Gartenschau „Floriade“ 2012 geht der Blick der Niederländer eher nach Westen. Es gab bei der Geografie eine andere Priorisierung, als bei der Planung damals angenommen. Venlo hat diesen Ball nicht aufgenommen. Die inhaltliche Zusammenarbeit ist aber in vielen Feldern wie der Fontys, Agrobusiness oder neu cradle to cradle weiter sehr eng.

Welche großen Ziele haben Sie noch für 2018?

Wagner Zunächst wollen wir bis zur Messe Expo Real im Oktober in München das Marketingkonzept für Venete umgestellt und den Namen ausgewählt haben. Ein weiteres Thema ist zum Beispiel die Sicherung des Gesundheitsstandorts um das Krankenhaus in Lobberich herum mit dem Ärztezentrum. Zudem wollen wir das Bildungszentrum Kaldenkirchen baulich teilweise neu gestalten. Für die Sanierung der Werner-Jaeger-Halle brauchen wir eigentlich nur noch Architekten und Planer. Aber die zu finden, ist ein hartes Brot, denn der enge Zeitplan macht es schwierig. Und dann steht natürlich noch die Umstrukturierung der Verwaltung an.

Welche Probleme gibt es Ihrer Meinung nach in Nettetal?

Wagner Wir wollen das Innenstadtmarketing vorantreiben, denn für uns sind lebendige Innenstädte sehr wichtig. Auch müssen wir gucken, wie wir Ehrenamtler mehr fördern können. Deren Aufgaben werden immer komplexer.

Wie sehen Sie die Pläne des Kreises zum Standort der Rettungswachen?

Wagner Dazu gibt es Ende des Monats ein Gespräch. Wir haben keine vorgefasste Meinung, glauben aber, dass vom bestehenden Standort Kaldenkirchen aus das ganze Stadtgebiet und Boisheim versorgt werden können.

Welche Projekte stehen an?

Wagner Wir planen zusammen mit dem Stadtsportbund eine Veranstaltung zur Zukunft des Sportes. Und wir wollen auch mehr bei Kultur und Brauchtum tun. Außer den städtische Angeboten wie etwa der Werner-Jaeger-Halle gab es zum Beispiel lange keine echte Kulturförderung mehr. Wir wollen, dass sich die Nettetaler gut zu Hause fühlen.

Wie sieht es bei den Schulen aus?

Wagner Wir sind jetzt in den Sommerferien dabei, viel Geld in die Sanierung der Schulen zu investieren. Außerdem wollen wir bald den Abriss der Kita des Deutschen Roten Kreuzes in Lobberich starten. Für den Neubau des Lehrschwimmbeckens in Breyell läuft die Architektenausschreibung. Dann wollen wir noch prüfen, wer das Parkhaus am geplanten Ärztezentrum baut.

Wovon hängt das ab?

Wagner Das ist eine Frage der Parkhausbewirtschaftung, die geklärt werden muss. Bis Ende 2018 wollen wir das auf den Weg gebracht haben.

Was sagen die Finanzen?

Wagner Wir sind auf Kante genäht, aber nicht so, dass die Naht reißt. Förderprogramme wie Gute Schule 2020 sind natürlich entlastend für das Gesamtgefüge der Stadt. Sicher, es gab Steuererhöhungen und Kürzungen an anderer Stelle. Wir haben einen ausgeglichenen Haushalt, nicht weil wir auf Rosen gebettet sind, sondern weil bei uns Schmalhans Küchenmeister war.

Dann hätte die Stadt jetzt doch Spielraum, die Steuern zu senken.

Wagner Ich finde nicht, dass die Steuerbelastung im Vergleich sehr hoch ist. Die Gewerbesteuer ist seit 2008 gleich geblieben, bei der Grundsteuer B gab es nur eine Erhöhung, die Müllgebühren haben wir in den vergangenen 15 Jahren senken können, und die Steuerlast für die Bürger ist verglichen mit der Gehaltsentwicklung im Durchschnitt wahrscheinlich nicht gestiegen.

Wollen Sie dann 2019 mehr investieren?

Wagner Es wird ein vernünftiger Haushalt mit Augenmaß werden, der aber auch mit dem Maßnahmenplan erste Akzente für die Zukunft setzt.

Aber es wird kein Sparhaushalt?

Wagner Es wird kein Sparhaushalt.

Wann soll die Stelle des Ersten Beigeordneten neu besetzt werden?

Wagner Wir sind zuversichtlich, dass wir bis Ende des Jahres einen Nachfolger für Armin Schönfelder finden werden.

Was sagen Sie zu der Kritik, dass Sie mit der Umstrukturierung der Verwaltung der Technischen Beigeordneten Zuständigkeiten wegnehmen?

Wagner Das ist de facto so. In ihrem Dezernat gibt es so eine Fülle an Aufgaben, da müssen wir Freiräume neu schaffen. Zusammen mit einer hauptamtlichen Leitung des Nettebetriebs bleibt der Betrieb leistungsstark. Der oder die neue Erste Beigeordnete kann sich auf die strategische Entwicklung des Betriebes konzentrieren. Und Frau Fritzsches Engagement und Fähigkeiten benötigen wir für die umfassende Umsetzung des Stadtentwicklungskonzeptes.

Wann soll der neue hauptamtliche Leiter des Nettebetriebs kommen?

Wagner Wir wollen die Ausschreibung möglichst mit dem oder der neuen Ersten Beigeordneten auf den Weg bringen. Spätestens zum Ende des Jahres soll die Neuordnung aber umgesetzt werden.

Wie ist der Stand beim Wirtschafts- und Logistikzentrum (WLZ) des Kreises?

Wagner Es werden weiterhin Gespräche im Hintergrund geführt. Wir wollen nun selber schauen, wie valide die Aussage des Kreises ist, dass für die Müllumlade-Station kein anderer Standort als Venete infrage kommt, und welche Möglichkeiten wir haben, Einfluss zu nehmen.

Wie sieht das der Kreis?

Wagner Ich denke, dass man es beim Kreis verstanden hat, dass es nicht nur ein hektisches Aufwallen von Empörung war, sondern es um ein ernsthaftes Problem geht.

Wie geht es weiter?

Wagner Bei der grauen Tonne besteht mindestens bis 2024 kein Handlungsdruck, weil bis dahin die Verträge mit der EGN in Süchteln laufen. Das entscheidendere Thema ist die braune Tonne und die Bioverwertungsanlage, die zusammen mit dem Kreis Wesel in Asdonkshof gebaut werden soll.

Es gibt viel Kritik an der WFG des Kreises, dass sich das Gewerbegebiet bislang kaum entwickelt hat.

Wagner Sicherlich verstehen einige Venete nicht als pure Erfolgsgeschichte. Aber damals war die Wirtschaftsförderungsgesellschaft der notwendige Partner, um überhaupt so ein großes Gewerbegebiet entwickeln zu können. Und die Flächen anzukaufen und zu erschließen, ist hervorragend gelaufen.

Was war dann das Problem?

Wagner Zum Beispiel, dass das Gebiet jahrelang nicht erschlossen war. Es konnte ja keiner ahnen, dass die Autobahnanbindung erst zehn Jahre nach dem Staatsvertrag kommt. Das lag nicht in der Verantwortung der WFG des Kreises Viersen. Natürlich kamen dann vor fünf Jahren unterschiedliche Auffassungen hinzu, mit welcher Strategie man in die Vermarktung einsteigt. Und dann gab es auch das aus meiner Sicht falsche Gerücht, dass die WFG möglichen Investoren Hürden gebaut habe.

Inwiefern?

Wagner Da es sich um ein Gewerbegebiet handelt, ist beispielsweise kein Einzelhandel vorgesehen. Dann wurde mal ein Interessent zu Recht abgelehnt, weil er einen zu großen Anteil von Einzelhandel mitgebracht hätte. Das hätte nicht zum Gebietscharakter gepasst, ist aber möglicherweise bei Investoren falsch rübergekommen.

Aber es gab auch grundsätzliche Erwägungen, künftig die Gewerbegebiete selbst zu vermarkten?

Wagner Der vormalige Geschäftsführer hat deutlich gemacht, dass die WFG des Kreises Venete nicht anders behandeln kann, als die anderen Gebiete im Kreis. Dafür haben wir Verständnis. Auch deswegen finden wir es sinnvoll, dass die Vermarktung einzelner Gewerbegebiete im Normalfall bei den Gemeinden angesiedelt sein soll, wie etwa in Willich, Viersen oder Brüggen. Jetzt sind wir im Normalfall gelandet. Und die WGF verstärkt ihre Anstrengungen etwa bei der überregionalen Positionierung des Kreises, der Zusammenarbeit in der Euregio oder in der Fördermittelberatung. Die von Thomas Jablonski als neuem Geschäftsführer der WFG vorgenommene strategische Neuausrichtung führt zu einer Win-win-Situation.

Welche Vorteile hat die eigenständige Vermarktung?

Wagner Wenn Anfragen da sind, sind die Wege kurz. Das bedeutet: Wenn ein Investor uns als Stadt anfragt, müssen wir ihn nicht mehr an den Kreis verweisen und dieser bei baurechtlichen Fragen wieder zurück an uns. Das ist ein Qualitätsfaktor für Unternehmen. Bislang gab es zu viele Schnittstellen, das war ein Nachteil.

Seit 1. April sind die Grundstücke wieder in der Hand der Stadt Nettetal. Was ist seitdem passiert?

Wagner Schon vorher ist etwas passiert: Aufgrund einer informellen Abstimmung haben wir seit Herbst 2017 vermehrt Investorengespräche geführt.

Das sind mindestens zwei Investoren...

Wagner Es sind sogar eine gute Hand voll, mit denen unser Wirtschaftsförderer Hans-Willi Pergens konkret und ernsthaft spricht. Bei denen besteht die Möglichkeit, dass es sich in die entscheidende Phase entwickeln kann.

Aber Amazon ist nicht darunter?

Pergens So große Ansiedlungswünsche können wir gar nicht befriedigen. Die größte verfügbare Fläche hat sieben Hektar, die danach knapp sechs Hektar.

In welchem Bereich liegen die Unternehmen, die Interesse haben?

Pergens Es gibt insgesamt schon einen erheblichen Flächenbedarf. Mal wird die komplette Fläche eines Grundstücksareals nachgefragt, mal nur 30.000 Quadratmeter, und das können wir gut bedienen.

Und bei der Zahl der Arbeitsplätze, die durch die Ansiedlungen entstehen würden?

Wagner Wir sind deutlich höher als bei dem WLZ.

Aus welchem Bereich stammen die Interessenten?

Pergens Aus der Mehrwertlogistik, Produktionslogistik und dem Verpackungsgewerbe.

Gibt es auch welche aus Nettetal?

Pergens Wir haben auch mit Bestandsunternehmen zu tun, die Nettetal-West nun wieder wahrnehmen. Bislang war das nicht so sehr der Fall. Man hatte die Fläche nicht auf dem Schirm.

Haben diese Interessenten Vorbehalte gegenüber Nettetal-West bezüglich der Müllumlade-Station?

Wagner Für sie ist das eine als merkwürdig empfundene Ansiedlungspolitik – solch eine extensive Nutzung für so ein attraktives Gewerbegebiet.

Wird es noch in diesem Jahr einen Vertragsabschluss geben?

Pergens Das hoffen wir.

Warum so verhalten?

Wagner Wir waren schon mal offensiver, wenn es um eine mögliche Ansiedlung ging. Wir haben es in der Presse kommuniziert, und dann kam es doch nicht zustande.

Pergens Mit Venete waren Hoffnungen verbunden, die sich bislang nicht erfüllt haben. Wir wollen nicht erneut enttäuschen.

Wie teuer ist denn ein Grundstück?

Pergens Wir werden keine Preise mehr nennen. Aber sollten Gespräche mit Ansiedlungsinteressenten sehr konkret werden, kommt es auf das Gesamtpaket an und nicht alleine auf den Kaufpreis.

Sollen die Bürger in die Vermarktung eingebunden werden?

Wagner Bisher war die Grundstimmung: Funktioniert da überhaupt was? Dann kam das Thema WLZ. Da ist es natürlich schwierig, die Bürger als Botschafter zu gewinnen, wie wir es uns eigentlich wünschen. Zum Glück ist diese Grundstimmung überregional nicht übergesprungen.

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