Nettetal Nettetaler Schulweg gemeinsam gestalten

Nettetal · Angelika Eller-Hofmann und Joachim Sczyrba setzen auf die Kooperation von Gesamt- und Realschule. Davon profitierte auch das Werner-Jaeger-Gymnasium.

Ungewiss ist die Zukunft des Hauptschulgebäudes in Kaldenkirchen. Die Schule läuft aus, sie nimmt schon für das Schuljahr 2016/2017 keine neuen Schüler mehr auf.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Für die weiterführenden Schulen ist der Herbst der Entscheidung angebrochen. Diskutiert werden zwei Wege: Entweder es gibt ein Kooperationsmodell zwischen der Gesamtschule und der Realschule, oder die Gesamtschule wird so erweitert, dass auch die Realschule dichtgemacht wird.

Vor knapp zwei Jahren gab es in der Stadt noch zwei Hauptschulen, das Werner-Jaeger-Gymnasium, die Gesamtschule und die Realschule. Im Sommer vergangenen Jahres wurde die Hauptschule Lobberich geschlossen. Die dort verbliebenen Jahrgänge wechselten zur Hauptschule Kaldenkirchen. Nicht einmal ein Jahr später war klar, dass auch diese Hauptschule keine Zukunft hat. Sie wird auslaufen und nimmt für das Schuljahr 2016/17 keine neuen Schüler mehr auf.

Unter dem Druck der Verhältnisse - drastisch sinkende Schülerzahlen und Abkehr der Eltern und ihrer Kinder von der Haupt-, aber auch von der Realschule - begann in der Stadt ein Prozess der Annäherung. Die bisher konkurrierenden Systeme gingen aufeinander zu. Angelika Eller-Hofmann und Joachim Sczyrba, die Leiter von Gesamt- und Realschule, verständigten sich mit ihren Teams auf einen gemeinsamen Weg. Einbezogen wurde darin immer auch das Gymnasium. "Die Gesamt- und die Realschule Nettetal setzen als bewährte Bildungseinrichtungen auf Kooperation. Wir wollen, mit dem Werner-Jaeger-Gymnasium, in gemeinsamer Verantwortung den Nettetaler Schulweg gestalten", sagt Eller-Hofmann.

Joachim Sczyrba setzt dafür auf eine Realschule, die sich an ein Modell des Landes Rheinland-Pfalz anlehnt. Nach zwei Anfangsjahren des längeren Lernens (mit Differenzierung im sechsten Jahrgang) will die Realschule einen Bildungsgang Berufsreife schaffen und parallel Schüler auf den Sekundarabschluss I (Fachoberschulreife mit und ohne Qualifikation) vorbereiten. "Ich bin überzeugt, dass viele Eltern ihr Kind nicht in den gebundenen Ganztag geben wollen, weil sie die Zeit und den Willen haben, sich nachmittags mit ihrem Kind zu befassen", sagt Sczyrba. Mit Eller-Hofmann ist er sich einig, dass diese Wahl zum Wohle des Kindes und seiner Bildungschancen in Nettetal erhalten bleiben muss. Der an der Gesamtschule ansässige Verein "baseL", der schon erfolgreich das Bindeglied zwischen Schule und Wirtschaft bildet, ist bereits an der Realschule aktiv.

Eller-Hofmann und Sczyrba argwöhnen, dass im Hintergrund Weichen anders gestellt werden: Kaum hatten sie ihre Schulkonferenzen einberufen, um das Kooperationsmodell zu diskutieren, hatte die Stadt es ganz eilig. Mit superverkürzter Ladungsfrist wurde ein Workshop mit Schulleitungen und Fraktionen einberufen. Knapp zwei Stunden (!) vor Beginn erhielt Eller-Hofmann eine Mail aus dem Rathaus mit Anweisungen zur inhaltlichen Gestaltung der Tagesordnung. Vorstellen durften die Schulleiter jedoch nur das Kooperationsmodell. Die Stellungnahme der Schulleiter zur Erweiterung der Gesamtschule auf eine Dependance in Kaldenkirchen und die daraus resultierenden Folgen wurden nicht zugelassen. Dafür soll in wenigen Wochen eigens der zuständige Dezernent der Bezirksregierung nach Nettetal eingeladen werden.

Die Schulleiter in Nettetal fürchten, dass im Vorfeld bereits auf die Dependance eingeschwenkt wird. Das hätte zur Folge, dass auch die Realschule geschlossen wird - mit der Begründung, man folge dem Elternwillen, der eindeutig zur Gesamtschule gehe. Zwanzig Jahre lang wurde dieser Elternwille allerdings so ernst nicht genommen, als im Rathaus um wirklich jeden Preis und trotz maroden Haushalts (IT-Ausstattungen, Mensa und andere Kosten in Millionenhöhe) geradezu verbissen für das mehrgliedrige Schulsystem gefochten wurde. Die Folgen sind absehbar: In Kaldenkirchen müsste eine Gesamtschul-Filiale aufgebaut werden, während gleichzeitig zwei (!) Schulsysteme (Haupt- und Realschule) über etwa fünf Jahre abgewickelt werden. Die Realschule verlöre in kurzer Zeit zahlreiche Lehrkräfte. Fatal wären auch die Folgen für das Werner-Jaeger-Gymnasium: Die Gesamtschule nähme ihm die heute noch nachrückenden Schüler aus der Realschule für die Oberstufe - in diesem Jahr waren es gut zwei Dutzend. Vorteile hätte das Land, weil Schulleitungen und damit hoch dotierte Stellen abgebaut und damit Kosten gesenkt werden könnten.

Ein Kernproblem der Nettetaler Schullandschaft verschärfte sich dann noch, nämlich die Abwanderung von Kindern an auswärtige Schulen - ein Thema, dessen Hintergründe noch nie diskutiert wurden. Vielleicht sind die Gründe zu unangenehm.

(RP)