Lobberich Schauspiel bis Mitternacht

Lobberich · In der Werner-Jaeger-Halle war das Theaterstück „Heilig Abend“ von Daniel Kehlmann zu sehen.

 Jacqueline Macaulay und Wanja Mues spielten Judith und Thomas im Theaterstück „Heilig Abend“ in der Werner-Jaeger-Halle.  RP-Foto: Jörg Knappe

Jacqueline Macaulay und Wanja Mues spielten Judith und Thomas im Theaterstück „Heilig Abend“ in der Werner-Jaeger-Halle. RP-Foto: Jörg Knappe

Foto: Knappe, Joerg (jkn)

Dieses Stück macht nachdenklich. Es verunsichert, kratzt an der Substanz der Freiheit eines jeden Menschen und lässt auch am Ende viele Fragen offen.

Knapp 90 Minuten lang wurden die Zuschauer am Sonntagabend in der Werner-Jaeger-Halle ohne Pause Zeugen eines Verhörs zwischen Thomas und der Philosophieprofessorin Judith. Es war ein Verhör, das sich permanent auf einem schmalen und manchmal kaum zu ertragenden Grat zwischen Annäherung und Aggression, Schmeichelei und Verachtung, Freundlichkeit und Hass, Kompromissbereitschaft und unterschwelliger Androhung von Gewalt bewegte.

Das so ganz und gar nicht weihnachtlich-idyllische Theaterstück „Heilig Abend“ des Autors Daniel Kehlmann stand auf dem Programm. In der Produktion des Euro-Studio Landgraf spielten Jacqueline Macaulay und Wanja Mues unter der Regie von Jakob Fedler gegen die Zeit, die gewissermaßen dritte Akteurin war, indem sie in Form einer digitalen Anzeige regelmäßig eingeblendet wurde.

Thomas unterstellt Judith, eine Bombe gebaut zu haben, die um Mitternacht bei einem terroristischen Anschlag gezündet wird. Sie soll dies mit ihrem Ex-Mann Peter geplant haben, der angeblich bereits seit Stunden verhört wird. Thomas ist vielleicht Polizist, vielleicht auch nicht („Wer sind Sie überhaupt? Sie müssen mir Ihre Dienstnummer geben.“ „Ehrenwort: Ich würde Sie Ihnen geben, wenn ich eine hätte.“).

Kehlmann, so hat er in Interviews erklärt, schrieb das Stück unter dem Einfluss der Ereignisse um Whistleblower Edward Snowden und die Willkür von Geheimdiensten, das Leben von Menschen zu beobachten und zu kontrollieren, wie es sich bislang niemand vorstellen konnte.

Macaulay als die intellektuelle, rhetorisch begabte Professorin und Mues als stets neue Facetten zeigender Verhörer präsentieren eine starke Leistung in diesem Zweipersonenstück, bei dem es auf jedes Wort und jede Geste ankommt. Sie diskutieren über Gut und Böse, über die Möglichkeit, Gewalt gegen das Unrecht einzusetzen, über die totale Überwachung der Bürger durch den Staat – auch über Judith weiß Thomas alles bis in weit zurückliegende Zeiten hinein.

Am Ende der Vorstellung ist Mitternacht. Das Stück endet. Einfach so. Und alle Fragen bleiben offen.

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