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Serie: Straßennamen und ihre Geschichten Das Leben im 20. Jahrhundert aus der Perspektive von Arbeitern

LOBBERICH/HINSBECK · Viele Straßen in den Ortsteilen sind nach Verstorbenen benannt. Manche sind weltbekannt, andere nur vor Ort im kollektiven Gedächtnis. Wilhelm Reimes und Peter Berten waren im 20. Jahrhundert aktiv.

 Die Wilhelm-Reimes-Straße liegt in Lobberich.

Die Wilhelm-Reimes-Straße liegt in Lobberich.

Foto: Ja/Knappe, Joerg (jkn)

Wilhelm Reimes und Peter Berten haben zu Lebzeiten kaum im Licht der Öffentlichkeit in den Orten gestanden, in denen sie aufgewachsen sind. Sie wurden der Nachwelt erst Jahrzehnte später bekannt durch ihre Bücher, die sie über ihr Arbeitsleben verfasst hatten – und dann auch erst, als diese neu aufgelegt wurden. Die Stadt Nettetal hält ihr Wirken, das von der offiziellen Geschichtsschreibung Anfang des 20. Jahrhunderts nicht erfasst wurde, durch Straßenbenennungen lebendig: Wilhelm Reimes im „Wasserturmviertel“ in Lobberich und Peter Berten in Hinsbeck im „Johannesviertel“.

Wilhelm Reimes wurde 1873 als Sohn eines Fabrikwebers geboren und wurde – wie der Vater – mit 14 Jahren Weber, nach einem kurzen Zwischenspiel in einer Kartonagenfabrik. Nach der Militärzeit fand er Anschluss an einen kleinen Zirkel der damals verfemten Sozialdemokraten und baute in Lobberich eine Zweigstelle des sozialdemokratischen Textilarbeiter-Verbandes auf. Er wurde oft zu Gewerkschaftskongressen geschickt und wirkte als hauptamtlicher Sekretär der Textilarbeiter mit Sitz in Krefeld. Er war dann in der sozialistischen Bildungsarbeit tätig, wurde 1915 Sekretär der SPD-Reichstagsfraktion und war nach dem Ersten Weltkrieg für die Arbeiterwohlfahrt in Schleswig-Holstein tätig. 1942 starb er in Bonn.

Seine Jugenderinnerungen hat er 1920 in dem Buch „Durch die Drahtverhaue des Lebens – Aus dem Werdegang eines klassenbewußten Arbeiters“ festgehalten. Darin schildert er anschaulich das karge Dasein der Arbeiterfamilien und ihre Kämpfe ums Überleben; es ist ein seltenes Zeugnis der Literatur mit dem Blick auf die kleinen Leute. In mehreren Auflagen sind bis 1930 noch sechs „volkstümliche Vorträge“ von Reimes unter dem Titel „Ein Gang durch die Wirtschaftsgeschichte“ erschienen, zu denen der Berliner Professor Heinrich Cunow, Abgeordneter des Preußischen Landtags, das Vorwort schrieb. Ironie der Geschichte: Der zunehmend kirchenkritische Reimes wird am Wasserturm in Lobberich von lauter Theologen eingekreist.

An Peter Berten erinnert in Hinsbeck nicht nur ein Straßenname, sondern auch eine Plakette an einer Stele, die auf dem Grundstück seines Geburtshauses in der Kurve der Hauptstraße nach dessen Abriss errichtet wurde. 1873 als sechstes von zehn Kindern des Zimmermanns Ludwig Berten und seiner Frau Katharina Bertges geboren, erlernte er beim Vater das Schreinerhandwerk und ging danach auf Wanderschaft. Mit 19 Jahren wurde er Mitglied der freien Gewerkschaften, mit 20 der SPD. Er war politisch aktiv zunächst in Bonn, ab 1897 dann in Düsseldorf. 1904 hängte er Hammer, Säge und Hobel an den berühmten Nagel, wurde Parteisekretär und dann Redakteur der Düsseldorfer Volkszeitung, bis er 1933 von den Nationalsozialisten Berufsverbot erhielt und in der Folgezeit mehrmals in Haft genommen wurde.

Peter Berten liebäugelte während und nach dem Ersten Weltkrieg, den er zeitweilig auch als Soldat mitmachte, mit der äußersten Linken, weil er Rosa Luxemburg und die Leute des Spartakusbunds so sympathisch fand, doch dauerte sein Ausflug zur USPD nur bis 1922. Er war Stadtverordneter in Düsseldorf (1918 bis 1929), Mitglied des Preußischen Staatsrats (1921 bis 1924) und des Preußischen Landtags (1924 bis 1933), außerdem Mitvorsitzender der SPD Niederrhein. Nach dem Zweiten Weltkrieg baute er die SPD im Bezirk Niederrhein mit auf und engagierte sich in der Gewerkschaft Holz. 1958, zwei Jahre vor seinem Tod, erschien seine Autobiographie „Lebenslauf eines einfachen Menschen“, die die IG Holz und Kunststoff in den 1990er Jahren noch einmal als Reprint herausbrachte.

 Und die Peter-Berten-Straße gibt es in Hinsbeck.

Und die Peter-Berten-Straße gibt es in Hinsbeck.

Foto: Ja/Knappe, Joerg (jkn)

Ob demnächst eine Straße in Lobberich im Baugebiet „Östlich De-Ball-Straße“ den Namen des Textilgewerkschafters Josef Zanders erhält, müssen Ratsgremien noch entscheiden. Der Lobbericher Samt- und Plüschweber (1899 bis 1970) engagierte sich ab 1922 in der christlichen Textilarbeiter-Gewerkschaft in Lobberich, nach 1945 wurde er Vorsitzender der Gewerkschaft Textil/Bekleidung auf Orts- und Kreisebene, dann bis 1964 geschäftsführender Vorsitzender im DGB-Kreis Kempen-Krefeld. Der Gewerkschaftler gehörte zu den Gründern der CDU auf Kreisebene und war Mitglied des am 1. Dezember 1945 gewählten Beirats.

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