Denkmäler in Nettetal Warum Kaldenkirchens evangelisches Gotteshaus auf einem Hof steht
Serie | Nettetal-Kaldenkirchen · Einen so prominenten Platz im Ortsbild wie das katholische Gotteshaus hat die evangelische Kirche in Kaldenkirchen nicht. Der Grund dafür sagt viel über die Konflikte der Konfessionen in früheren Jahrhunderten.
Die katholische Pfarrkirche St. Clemens ist nicht zu übersehen, wenn man die Kaldenkirchener Fußgängerzone von der Ecke Grenzwaldstraße aus hinauf spaziert. Der hoch aufragende Turm ist schon mehr als 500 Jahre alt und weithin sichtbar. Ganz anders die evangelische Kirche. Sie liegt zwar nur wenige Schritte entfernt. Doch wer nicht weiß, dass zu seiner Linken dort auch ein Gotteshaus steht, wird wahrscheinlich daran vorbeigehen, ohne es zu bemerken. Denn die Kirche liegt in zweiter Baureihe, gegen die Blicke der Passanten auf der Kehrstraße verdeckt – und auch ihr kleiner Glockenturm, der erst 1839 aufgesetzt wurde, ragt bei Weitem nicht so hoch himmelwärts wie der massige katholische „Kollege“ von St. Clemens. Diese zunächst etwas kurios anmutende Lage macht Kaldenkirchens evangelische Kirche zum Paradebeispiel für eine „Hofkirche“ und spielte wohl eine wichtige Rolle dafür, das Gebäude in die Liste der Nettetal Denkmäler aufzunehmen.
Mag die Architektur wenig spektakulär sein, so ist die Hofkirche doch ein interessantes Zeugnis für die Religionsgeschichte in der Region – genauer: der Konflikte zwischen Katholiken und Protestanten im 17. Jahrhundert und den Umgang mit diesen Spannungen.
Erste reformatorisch gesinnte Prediger sind schon in den 1530-er Jahren in Kaldenkirchen aufgetreten. Doch von der Bildung einer reformierten Gemeinde iim Ort, meint der Historiker Leo Peters, ist wohl erst Anfang der 1570-er Jahre auszugehen. Martin Luther und Jean Calvin ruhten da längst im Grab. Nachdem im Herzogtum Jülich-Kleve-Berg, zu dem Kaldenkirchen gehörte, lange Zeit eine konfessionell tolerante, auf Ausgleich bedachte Politik vorgeherrscht hatte, änderte sich das schlagartig, als während des Jahrzehnte währenden Kampfs zwischen den Niederlanden und dem spanischen Weltreich Soldaten der erzkatholischen spanischen Monarchie in Kaldenkirchen stationiert wurden.
Im zweiten bis vierten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts wurden die Protestanten im Ort drangsaliert und unterdrückt. Geldstrafen wurden verhängt etwa gegen Einwohner, die sich nicht nach katholischem Ritus segnen lassen wollten, daheim, im Privaten, das Evangelium gelesen hatten – oder gar nachts heimliche Versammlungen abgehalten hatten. Einen Predigtstuhl in einem Haus, das wohl auch Predigerwohnung gewesen war, sollen die Spanier verbrannt haben.
Nach dem Abzug der Spanier und dem Westfälischen Frieden von 1648 entspannte sich die Lage etwas, die Gemeinde konnte eine erste Kirche – in Quellen auch als Predigthaus bezeichnet – nutzen. Das brannte jedoch — angeblich am 30. Oktober 1670 um 4 Uhr morgens – ab. Kollekten wurden in der Region gehalten. Sie halfen, den Bau in für Katholiken wenig provokanter Innenhof-Lage zu finanzieren.
1672 steht in einer Inschrift über dem Eingangsportal. Doch der Überlieferung eines „Lagerbuchs“ der Kirche aus dem 19. Jahrhundert zufolge dauerte der Neubau auf dem Hof des Pfarrhauses von 1672 bis 1674. Ein finanzieller Kraftakt für die Gemeinde, noch Jahre später mühte sie sich, Geld aufzutreiben, um Schulden tilgen zu können.
Dass das Gotteshaus die Jahrhunderte überstanden hat, ist auch einer umfassenden Renovierung in den 1960-er Jahren zu verdanken.