Sommergespräch mit dem AfD-Frakionsvorsitzenden Harry van Kempen übernimmt das Erbe von Lothar Kronauer in Nettetal

Nettetal · Harry van Kempen ist neuer Vorsitzender der AfD-Fraktion. Er tritt das Erbe von Lothar Kronauer an, der im April im Alter von 74 Jahren starb. Der 53-Jährige aus Kaldenkirchen ist erst seit wenigen Jahren lokalpolitisch aktiv.

Harry van Kampen, AfD-Fraktionsvorsitzender im Nettetaler Stadtrat, lebt seit 53 Jahren in seiner Heimat Kaldenkirchen.

Foto: Heribert Brinkmann

Er ist „der Neue“ unter den Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat, er wurde erst in der Ratssitzung vom 29. Juni verpflichtet. Er rückte für den am 10. April verstorbenen Lothar Kronauer nach. Die Ratssitzung am 16. September wird seine zweite Sitzung als Fraktionsvorsitzender sein.

Harry van Kempen ist 53 Jahre alt, er fährt Lkw und arbeitet im Lager eines Unternehmens in Mönchengladbach. Er nennt sich selbst ein „Kaldenkirchener Urgestein“, denn er ist dort geboren und aufgewachsen, hat dort immer gelebt. Seine Eltern züchteten in der Gärtnerei van Kempen Rosen, vor acht Jahren gaben seine Eltern die Gärtnerei auf, weil sich die Zucht durch die Billigimporte aus Afrika nicht mehr lohnte. Auch Harry van Kempen, der Blumen- und Zierpflanzengärtner gelernt und seit Jugendjahren im elterlichen Betrieb mitgearbeitet hatte, musste sich umorientieren.

2014/15 kaufte die Stadt seinem Vater ein Gelände von 5000 Quadratmetern ab. Dort sollte ein Busbahnhof und ein Park- & Ride-Platz gebaut werden. Inzwischen ist der Vater im März gestorben, auf dem Gelände am Herrenpfad ist immer noch nichts passiert. Zweimal im Jahr lasse die Stadt das Gras mähen.

2015 hat sich van Kempen beruflich umorientiert und ist viel Lkw gefahren. Damals war er sehr oft in Süddeutschland unterwegs. Dort erlebte er auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle aus Syrien „eine wahre Völkerwanderung“. Damals nahm er Kontakt zur AfD auf. Lothar Kronauer nahm ihn unter seine Fittiche. Van Kempen entwickelte eine starke Bindung zu Kronauer, der ihn in Stadt- und Kreisvorstände der AfD einführte. So wurde er im Juni 2019 stellvertretender Sprecher des Stadtverbandes und 2020 Beisitzer im Kreisverband Viersen. Dann erbte er im Sommer 2021 Kronauers Ämter. Durch seine Arbeit im Stadtverband kennt er bereits alle Mitglieder der Fraktion. Er muss nicht bei null anfangen.

Seinen Account in den sozialen Medien hat er inzwischen gelöscht. Die Beleidigungen und Unwahrheiten sei er leid gewesen. Er empört sich, als AfD-Mitglied in die rechte Ecke geschoben zu werden: „Ich habe nichts mit Nazis und Rechten zu tun.“ Dass in seiner Partei Rechtsextreme vertreten sind, weiß er auch, aber er steht hinter gemäßigten Repräsentanten wie dem Bundestagsabgeordneten Kay Gottschalk. Die Flüchtlingsgeschichte sei ein alter Hut, er selber will raus aus der rechten Ecke und Vorurteile abbauen.

Für die nächste Ratssitzung hofft er, dass etwas schnell und unbürokratisch geschehe, um den Kindern in den Schulen in der Corona-Pandemie zu helfen. Ohne Einschränkungen und einheitlich müsse in Sachen Raumluftfiltertechnik etwas passieren. Van Kempen plädiert auch dafür, dass an sozialen Brennpunkten verstärkt über das Impfen aufgeklärt werde, um die Impfquote zu verbessern. Es dürfe zu keinem neuen Lockdown kommen, weil Handel und Gastronomie schon jetzt arg gebeutelt seien.

Weitere Vorhaben für diese Ratsperiode sind der Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs und die Sanierung des Bahnhofes, einschließlich des fehlenden P&R-Platzes. Aber auch der schlechte Zustand von vielen Straßen bewegt ihn. Als Beispiel nennt er die Venloer Straße in Kaldenkirchen, wo die schönen Alleebäume gefällt werden sollen.

Für die Seenstadt Nettetal findet es Harry van Kempen ein Armutszeugnis, dass man in keinem See baden könne. Er hält sowieso nichts von Einkaufszentren auf der grünen Wiese. Aber auch die Ortskerne drohten zu veröden. Im Lockdown sei der Online-Handel noch stärker geworden. Da müsse man lokal gegensteuern.

Dass die Polizeiwache in Kaldenkirchen nur werktags von 10 bis 18 Uhr geöffnet ist und alles über Viersen laufe, kritisiert van Kempen. „Es dauert zu lange, dass die Polizei vor Ort erscheint“, meint er zum Sicherheitsgefühl der Menschen vor Ort. Nicht mehr zu ändern sei die Entscheidung für die „Müllumlade“, die der Abfallbetrieb Kreis Viersen im Gewerbegebiet Nettetal-West errichten will. Die AfD-Fraktion wolle ein Auge darauf werfen, wie sich beim zukünftigen Betrieb die Kritikpunkte Geruchsbelästigung, Ungeziefer und Lkw-Verkehr entwickeln werden.