Nettetal Mitten drin statt außen vor

Nettetal · Das Projekt ist ehrgeizig und bundesweit einzigartig: Seit Anfang September werden vier behinderte Jugendliche in der Zirkus-Jugendherberge Hinsbeck für den regulären Arbeitsmarkt ausgebildet.

Sie helfen in der Küche und bei kleinen Reparaturen im Haus, sorgen mit dafür, dass der Garten in Schuss bleibt, leisten Hausmeisterdienste und sind auch für den Zimmerservice in der Zirkus-Jugendherberge Hinsbeck mit zuständig. Die zweijährige Ausbildung der vier Jugendlichen im hotelähnlichen Herbergsbetrieb ist eine kleine Sensation. Denn die drei jungen Männer und eine junge Frau zwischen 17 und 22 Jahre sind behindert – drei geistig, einer körperlich.

Herbergsvater Manfred Podchull schätzt seine neuen Mitarbeiter. Seit September werden sie unter Anleitung der Diplom-Sozialpädagogin Nicole Podchull angewiesen und ausgebildet. „Bereits nach der kurzen Zeit, die sie hier sind, sind sie nicht mehr wegzudenken“, sagte Nicole Podchull. „Sie werden gebraucht.“

Solche Sätze sind – noch – etwas besonders. „Bislang endete Integrationsarbeit nach der Schule“, so Ludger Peters, Vorsitzender der Elterninitiative „Kindertraum“. Damit wollte sich die Nettetaler Elterninitiative nicht abfinden. „Unsere behinderten Kinder gehören in unsere Gesellschaft hinein“, gab Ludger Peters, bei der Vorstellung des bundesweit einzigartigen Pilotprojekts die Maxime der Zukunft aus. Ziel ist es, die vier Jugendlichen so auszubilden, dass sie fit und fähig werden, um auf dem regulären Arbeitsmarkt bestehen zu können.

Dafür haben die Eltern gemeinsam mit CDU-Bundestagsabgeordnetem Uwe Schummer fast zwei Jahre lang gekämpft. Mit seiner Unterstützung schafften sie es, ihr Anliegen Frank-Jürgen Weise, Vorstand der Agentur für Arbeit in Nürnberg, persönlich vorzustellen. Sie haben verhandelt und schließlich zusammen mit dem Landschaftsverband Rheinland, der Agentur für Arbeit sowie mit dem Heilpädagogischen Zentrum Krefeld – Kreis Viersen ein Konzept entwickelt, dass es den Herbergseltern Manfred und Petra Podchull möglich machte, behinderte Mitarbeiter zu beschäftigen. Dieses ist als landesweites Pilotprojekt eingestuft. Das heißt: Es kann und soll Schule machen.

„Langsam setzt sich eine neue Denkweise in der Arbeit mit Behinderten durch – integrativ vor betreut“, sagte CDU-Bundestagsabgeordneter Uwe Schummer. Dies kommt der Auffassung der Aktiven der Elterninitiative „Kindertraum“ darüber, wie mit Behinderten umgegangen werden sollte, sehr nah. Behinderte benötigen keine Schonbehandlung, sondern einen Platz in der Gesellschaft, hieß es. Der sei nur vorhanden, wenn Eingliederung Kontinuität besitze, so Ludger Peters. „Integrationsarbeit ist keine Sackgasse“, so der Vorsitzende der Elterninitiative. „Ich hoffe, dass dieses Signal im Schulministerium und bei der Bezirksregierung auch ankommt.“

Die Elterninitiative „Kindertraum“ möchte im nächsten Schritt einen Integrationsbetrieb gründen. „Uns liegen bereits Anfragen von Firmen aus dem Kreis Viersen vor“, verriet Ludgers Peters.

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(RP)
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