Nettetal Mit Schnaps viel Geld verdient

Nettetal · Gottfried Simons war mit seiner Branntwein- und Likörfabrik in Leutherheide im 19. Jahrhundert der bedeutendste Steuerzahler der Gemeinde Leuth. Übriggeblieben von seinem einstigen Besitz ist nur der Heydevelthof

Mit anderer Leute Laster ist gut Geld zu verdienen. Das muss sich der Bauernsohn Michael Josef Simons aus Breyell-Metgesheide gedacht haben, als er 1823 als Dreißigjähriger auf dem Schmitterhof in Leutherheide einheiratete. Aus der dort neben der Landwirtschaft angesiedelten Branntweinbrennerei machte er eine moderne Produktionsstätte für Cognac und Liköre, der auch noch ein Weinhandel angegliedert war.

Er legte damit den Grundstein für ein gut 150 Jahre währendes Wirken der Familie Simons in Leutherheide, das von Alters her ein Teil der Gemeinde Leuth war, zum 1. April 1944 aber auf Druck der Nationalsozialistischen Partei nach Breyell umgegliedert wurde. Damit wurde Leuth um alles, was südlich der Bahnlinie Kaldenkirchen-Lobberich lag, amputiert. Das hindert die Heimatfreunde Leuth indes nicht, sich mit bedeutenden Männern der früher gemeinsamen Geschichte zu befassen und das Breyeller "Henese Fleck"-Mitglied Winfried Sieben darüber berichten zu lassen. Sieben kommt schließlich auch aus Metgesheide.

Die gut belegte Geschichte des Schmitterhofes beginnt schon früher mit dem Bauern Matthias Heydevelts, der auch eine ländliche Schnapsbrennerei und eine kleine Bierbrauerei betrieb. Die Leutherheider deckten bei ihm ihren Bedarf, er konnte davon gut leben. Nach seinem Tod 1754 stieg Sohn Goswin auch in den Getreidehandel ein und hatte bei den Geschäften ein so gutes Händchen, dass seine drei Töchter als "tolle Partie galten und heiß begehrt waren". Maria Gertrud heiratete den Lobbericher Bauernsohn Gottfried Schmitter ("Es war 1776 die Hochzeit des Jahres!"), der den Getreidehandel seines Schwiegervaters sehr erfolgreich weiterführte und zeitweilig sogar die Rechte für den Lumpenhandel in einem Bezirk des Herzogtums Geldern hatte.

Erbe sollte eigentlich Sohn Paul Goswin Johannes sein, der 1808 auch das Branntweingeschäft ausdehnte, aber oft krank war und schon 1829 als Junggeselle starb. So kam seine älteste Schwester Anna Katharina zum Zuge, die mit Heinrich Matthias Bontenackels vom Schabbershof in Leuth verheiratet war. Deren 1801 geborene Tochter Maria Lucia setzte die erfolgreiche Heiratspolitik fort, indem sie den jungen Michael Josef Simons nach Leutherheide holte. Dieser war bald Gutsbesitzer, Gastwirt (mit Saal) und Kaufmann. Durch die Heirat seines Sohnes Gottfried mit der vermögenden Carolina Spielmanns aus Breyell kamen noch ein 100 Morgen großer Hof in Vorbruch mit Branntweinbrennerei und Lebensmittelgroßhandel hinzu.

Das Unternehmen Simons gelangte "zu nicht erwarteter Blüte", schrieb 1978 der Breyeller Ortschronist Josef Funken. Die Fahrzeuge des Unternehmens waren auf den Straßen zwischen Aachen im Süden und Kleve im Norden zu sehen. In jenen Zeiten wurden Gaststätten alle zwei Wochen mit 40 bis 60 Liter Schnaps beliefert, hat Sieben einem Lieferscheinbuch der Brennerei Boetzkes im Vorbruch entnommen. Montags um 5 Uhr fuhren die von zwei belgischen Kaltblütern gezogenen Planwagen los, sie kamen erst spät am Freitagabend zurück. Dann wurden sie übers Wochenende neu mit Schnaps und Futter beladen.

Die Familie Simons konnte sich einiges leisten. Als Gottfried 1894 sein Testament machte, verteilte er Grundbesitz in Leutherheide, Vorbruch, Leuth und Lobberich sowie Bargeld im Wert von 663.000 Mark - heute wären das mehrere Millionen Euro. Die Familie hatte einen Eisenbahnsalonwagen, mit Samt und Gold ausgestattet. Er war in Kaldenkirchen stationiert, doch benutzte man ihn immer nur bis Viersen. Auf dem großen Hofgelände entstand 1887 die "Villa Ursula", die zeitweilig auch als Schule diente.

Im 20. Jahrhundert liefen die Geschäfte nicht mehr so gut, sodass der Betrieb in den 1970er-Jahren eingestellt wurde. Auch eine Art Magenbitter mit dem Namen "Prosana" brachte nach dem Zweiten Weltkrieg keine entscheidenden Impulse.

Der letzte Simonsspross Karl Herbert hatte eine kleine Spedition (an der früheren Gaststätte Abelen in Ritzbruch). Er lebte im Ruhestand in Leuth, wurde aber auch im Familiengrab auf dem Leutherheider Friedhof beigesetzt. Diesen hatten die Simons einst der Kapellengemeinde geschenkt.

Der Schmitterhof heißt heute Heydevelthof. Er wurde von dem Krefelder Maschinenbaufabrikanten Paul Kleinewefers erworben und nach dem tragischen Unfalltod seiner Frau Eva dem Bistum Aachen als Tagungsstätte für die Bischöfliche Akademie zur Verfügung gestellt (Eva-Kleinewefers-Haus). Nach dem Rückzug des Bistums aus Spargründen dient der Hof heute als Tagungsstätte für Vereine, Verbände und Institutionen.

(mme)
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