Nettetal Lieber mit anderen reden als streiten

Nettetal · 20 Jahre war der Lobbericher Günter Werner Fraktionsvorsitzender der CDU im Nettetaler Stadtrat. In dieser Zeit meisterte er mit den Kollegen des gesamten Rates die größte finanzielle Krise in der Geschichte der jungen Stadt.

 Die gute Nachricht für Günter Werner (Mitte, rechts Ehefrau Karola) hatte CDU-Kreisvorsitzender Marcus Optendrenk: Der Lobbericher übertraf knapp die 50 Prozent in seinem Kreiswahlbezirk.

Die gute Nachricht für Günter Werner (Mitte, rechts Ehefrau Karola) hatte CDU-Kreisvorsitzender Marcus Optendrenk: Der Lobbericher übertraf knapp die 50 Prozent in seinem Kreiswahlbezirk.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Nach 35 Jahren saß Günter Werner in der vergangenen Woche zum ersten Mal in seinem Leben im Zuschauerraum einer Ratssitzung. Und zum ersten Mal begleitete ihn zu einem solchen Termin Ehefrau Karola. Der Lobbericher gehört mehr als sein halbes Leben für die CDU dem Nettetaler Stadtrat an, in den vergangenen 20 Jahren war er ihr Fraktionsvorsitzender.

Ein seltsames Gefühl sei es schon gewesen, im Zuschauerraum zu sitzen und die Kollegen nun agieren zu sehen, räumt Werner ein. Andererseits habe er sich auf seinen Abschied bewusst vorbereitet. Und ganz nehme er ja keinen Abschied aus der Politik. Am 25. Mai kandidierte er zwar nicht mehr für den Stadtrat, aber ein weiteres Mal für den Kreistag. Seine Erfahrung will er da einbringen und die politische Arbeit in etwas ruhigerem Fahrwasser ausklingen lassen. "Ich möchte nicht in ein Loch fallen", sagt er.

Das ist nachvollziehbar. Der stets ruhig und ausgeglichen wirkende ehemalige Studiendirektor mit dem Faible für Technik und Naturwissenschaften hat mindestens 20 Jahre lang politisch Vollgas geben müssen, weil er seine Aufgabe ausgesprochen ernst nahm. Jede Vorlage und jedes Protokoll hat er gelesen, um immer "im Film" zu sein. "Es geht nicht, den Vorsitzenden eines Ausschusses oder fachpolitischen Sprechern die inhaltliche Arbeit zu überlassen. Als Fraktionsvorsitzender muss man immer bei allen Vorgängen auf dem Laufenden sein", sagt Werner.

Auf der einen Seite "Akten fressen" und andererseits die Balance einer großen Fraktion mit ihren sehr unterschiedlichen Fliehkräften halten - das war Werner nicht in die politische Wiege gelegt worden. Mit Demut verfolgte der junge Nachwuchspolitiker Debatten seiner Vorgänger und Ziehväter, von Karl Reulen bis Konrad Achtert. Letzterer machte 1986 den Weg frei für Werner, indem er ihm den Vorsitz des Finanzausschusses überließ. Das Signal war klar: Hier sollte sich jemand für den künftigen Fraktionsvorsitz bewähren. Der fiel Werner 1994 in den Schoß, als die alte Garde der Nettetaler Gründungsphase gebündelt abtrat - und ein gewaltiges Finanzloch hinterließ.

An der Seite und mitunter auch gegen den damaligen Stadtdirektor Peter Ottmann, der zeitweilig die Stadtwerke verkaufen wollte, machte sich Werner mit der neuen Fraktion und den Kollegen im Rat auf den langen Weg der Konsolidierung. Werners Naturell, offenen Streit zu vermeiden und den Konsens auch im gegnerischen Lager zu suchen, dürfte ausschlaggebend für die anstrengende Gemeinschaftsleistung sein. Seine schärfste politische Widersacherin in jener Zeit, die SPD-Fraktionsvorsitzende Renate Dyck, hob in der letzten Ratssitzung Ende April die besondere Fairness und politische Unaufgeregtheit Werners in einer anerkennenden und warmherzigen Rede hervor. Der große Applaus des Rates gab ihr Recht.

Mit enormem Fleiß und der Bereitschaft, große Bereiche des Privatlebens trotz beruflicher Belastung der Politik für Nettetal unterzuordnen, hat Günter Werner kontinuierlich seine Fraktionsarbeit betrieben. Nie gab es auch nur den Versuch, seine Position anzuzweifeln, vielmehr erhielt Werner über den engen Fraktionsvorstand hinaus stets Unterstützung. Er widerstand auch Einflüsterungen weniger strategisch denkender Kollegen in der Fraktion, Mehrheiten zu Alleingängen auszunutzen. Werner moderierte lieber seine Führungsaufgabe und gilt als einer der Architekten des Miteinanders, das sich später in den G-8-Runden auf Kreisebene fortsetzte.

Dass er jetzt aufhört, hält Günter Werner - da ist er ganz er selbst - für vernünftig. "Es ist ausgesprochen anstrengend, mit höchster Konzentration jeder Sitzung durch Höhen und Tiefen zu folgen und jedes Wort vorher abzuwägen", sagt er. Werner hat jedem selbst gesprochenen Wort nämlich auch immer misstrauisch nachgehorcht.

(RP)
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