Nettetal Lachen und weinen mit Kult-Talker Domian

Nettetal · Jürgen Domian sprach über 25.000 Anrufer — darunter Verbrechensopfer, Hooligans und Pädophile

 "Die Sendung intensiven Gespräche fehlen mir": Nacht-Talker Jürgen Domian teilte seine Erfahrungen.

"Die Sendung intensiven Gespräche fehlen mir": Nacht-Talker Jürgen Domian teilte seine Erfahrungen.

Foto: J. Knappe

In der nächtlichen Radio-Unterhaltung ist er beinahe eine Legende. Fast 22 Jahre erzählten Anrufer Domian, dem Mann mit der einprägsam-einfühlsamen Stimme, ihre Geschichten. Die Themen reichten von lustig über bizarr bis hin zu anrührend. Seit Dezember 2016 ist Jürgen Domian nicht mehr an fünf Nächten pro Woche auf Sendung - jetzt berichtete er von seinen Erfahrungen in der Werner-Jaeger-Halle in Lobberich. Seit Januar tourt er mit "Domian redet" durch NRW.

Mehr als 25.000 Anrufe erreichten ihn, und viele Menschen wagten es ihm gegenüber erstmals, über ihre sexuellen Vorlieben oder ihre Leidensgeschichten zu sprechen. Im Austausch mit 1Live-Moderator Andreas Bursche blickte Domian nochmals auf einige "Schicksalsgeschichten" zurück. Bei vielen Namen oder Stichworten reagierten die Zuschauer sofort, die Namen und die Geschichten dahinter sind vielen im Gedächtnis geblieben.

Ein Einspieler zu Beginn gab einen Einblick in die Vielfalt der Themen, ließ die Zuschauer lachen und weinen. Er endet, wie Domian nach seiner letzten Sendung die Deko zurückschiebt und das Licht löscht.

Jetzt sollte es um Domian privat gehen, kündigte Bursche an. Die erste Frage galt den Arbeitszeiten in fast 22 Jahren Night-Talk: "Mein Tagesablauf war komplett auf den Kopf gestellt: Arbeitsbeginn war um 18.30 Uhr, die Sendung lief bis 2 Uhr, danach gab es eine Redaktionskonferenz", so Domian. "Und wenn ich gegen 3.30 Uhr zu Hause war, war an Schlafengehen noch nicht zu denken. In's Bett ging ich nie vor 5.30 Uhr." An ein normales Leben unter der Woche sei nicht zu denken gewesen; und dies auch der Grund für das Ende der Sendung. Nach zwei Hörstürzen hatten Ärzte dazu geraten: "Jeder Arzt erklärt einem, dieser Alltag sei so wider die Natur, das ginge auf Dauer nicht gut." Aber noch heute sei er Nachtmensch und finde es "hoch-exotisch", morgens um 9.30 Uhr Brötchen zu holen. Aber: "Die Sendung und die intensiven Gespräche fehlen mir."

Und die gab es reichlich. Er sprach über Fetische, mit Eltern, die ihre Kinder verloren haben, mit Opfern von Missbrauch oder Vergewaltigung, Nazis und Hooligans. "Es gab keine Tabus, in der Sendung konnten die Anrufer über alles sprechen", erinnert sich Domian. Nach dem Anruf eines Pädophilen wurde ihm vorgeworfen, "diesen Leuten eine Plattform zu bieten". Aber: Er hätte sich auf jedes Thema eingelassen, wollte mit jedem reden: "Es ist meine Pflicht zu versuchen, etwas bei diesen Menschen zu bewirken." Wenn nur einer danach eine Therapie angestrebt habe, sei etwas gewonnen. Außerdem habe seine Sendung vielen das Gefühl gegeben, sie seien nicht allein: "Uns haben unzählige Dankes-Briefe, Faxe und Mails erreicht, gerade wenn wir ernste Themen behandelt haben."

(eva)
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