Lobberich Kritik an Gehölzschnitt an Straßen
Lobberich · Bäume auf Kopf setzen, Sträucher pflanzen und Benjeshecken anlegen: Heinz Tüffers hat Vorschläge, wie auch bei der Straßenverkehrssicherung von Bäumen Kahlschläge verhindert werden können.
Der Anblick bricht Heinz Tüffers das Herz: gefällte Bäume, geschredderte Äste, zerstörter Lebensraum. „Es ist klar, dass wir eine Straßenverkehrssicherung bei Bäumen brauchen. Dagegen spricht auch niemand. Nur gegen die Art und Weise, wie sie durchgeführt wird. Das muss nicht sein. Es geht auch anders und zwar naturschonender“, sagt Tüffers, Mitglied des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) und Gründer des Naturschutzhofes Nettetal. Er praktiziert seit Jahren Methoden, die seiner Meinung nach auch problemlos von Straßenmeistereien umgesetzt werden könnten.
Tüffers rät, Bäume auf Kopf zu setzen, Benjeshecken aus dem Schnittgut anzulegen und an Stellen, wo Bäume aufgrund ihres Wachstums für Probleme sorgen könnten, erst gar keine anzupflanzen, sondern stattdessen auf Sträucher zu setzen. Diese könnten bei Bedarf auch problemlos auf Stock gesetzt werden, sagt Tüffers. Wie das aussieht, ist auf dem Naturschutzhof im Sassenfeld zu sehen. Dort wurden vor zehn Jahren Buchen auf Kopf gesetzt. Herausgekommen sind Bäume, aus deren Köpfen heraus die Äste treiben und einen Lebensraum für Vögel und Insekten bieten.
Dazu kommen frisch auf Kopf gesetzte Weiden, die genauso treiben werden. Aus dem Schnittgut werden Benjeshecken angelegt, die wiederum ein Biotop für Insekten, Vögel und Säugetiere darstellen. „Wenn Bäume auf ein bis zwei Meter abgeschnitten werden, dann treiben sie wieder. Werden sie hingegen bis auf den Stumpf abgeschnitten, ist dies nicht mehr der Fall“, erklärt Tüffers.
Warum also die Bäume an Autobahnen und Landstraßen nicht so schneiden, fragt er? Lebensraum würde erhalten bleiben. Dabei würden keine arbeitsintensiven weiteren Einsätze folgen, sagt Tüffers. Der nächste Schnitt müsse erst in rund 15 Jahren erfolgen. Und sterbe doch einmal ein Baum ab, sei dies auch kein Problem: Ein solcher toter Baum biete wieder Lebensraum für Vögel wie den Specht.
Tüffers klagt: Es sei nicht nur so, dass Vögeln, Insekten und Säugetieren eine Lebensgrundlage genommen würde. In den Rinden der Bäume säßen unzählige von Insektenlarven und -eiern. „Das Nachtpfauenauge legt zum Beispiel seine Eier unter groben Rinden ab“, sagt der Fachmann. Würden diese Bäume geschlagen und weiterverarbeitet, bedeute das den Tod der Insekten. „Es sind nicht nur die Land- und Forstwirte gefragt, beim Insektensterben und Klimawandel zu handeln“, sagt Tüffers. „Auch die Straßenmeistereien müssen entsprechend agieren. Es sollte mit der Natur und nicht gegen die Natur gearbeitet werden.“
Auch Kahlschläge vor einer Waldgruppe seien problematisch. Würden im vorderen Bereich ganze Reihen weggenommen, bekämen die dahinter stehenden Bäume, die dann an vorderster Front stehen, Sonnenbrand und erkrankten daran. Da sie aufgrund ihres Standortes mitten im Wald eine dünnere Rinde entwickelt haben als am Rand stehende Bäume, sind sie empfindlicher. Auch zu früh geschnittene Bäume würden Probleme bereiten, meint Tüffers. Würden Kopfweiden schon mit fünf oder sechs Jahren geschnitten, sei dies zu früh. Sie würden dann keine Höhlen mehr bilden. Erst ab einem Alter von zehn Jahren sollte ein Rückschnitt erfolgen, so Tüffers. Dann setze auch die natürliche Höhlenbildung ein, von der unter anderem der Steinkauz profitiere. „In Anbetracht der Situation, in der wir uns befinden, man muss sich umstellen“, sagt Tüffers.
Das für Gehölzflächen an Autobahnen und Landesstraßen zuständige Landesamt Straßen NRW verweist indes darauf, dass es sich bei seinem Vorgehen an das von Land und Bund vorgegebene Regelwerk zur Baumpflege halte. Der Gehölzschnitt an Straßen stehe immer wieder in der Kritik, heißt es beispielsweise auch auf der Internetseite des NRW-Umweltministeriums: „Bürgerinnen und Bürger bemängeln den – ihrer Meinung nach – oft rigiden Rückschnitt des Straßenbegleitgrüns. Für die Verantwortlichen steht aber die Verkehrssicherheit an erster Stelle.“ Frank Eilermann, der bei Straßen NRW für die Grundsatzfragen der Grünpflege zuständig ist, sagt: „Wir haben zudem einen engen Kontakt zum Nabu NRW und zum BUND und werden uns auch Stellen, an denen es zu Beschwerden kam, ansehen.“ Momentaufnahmen von Maßnahmen würden katastrophal aussehen, sagt er, aber man müsse schauen, wie es einige Jahre später dort aussehe.