Nettetal Kleine Stücke Zeitgeschichte

Nettetal · Steffi und Michael Backes aus Lobberich haben eine ungewöhnliche Geschäftsidee: Sie sammeln Teile bedeutender Monumente und bekannte Stücke der Zeitgeschichte, zerkleinern diese und machen daraus ein Kunstwerk

Steffi und Michael Backes haben mit ihrem "Zeitwerk" eine recht ungewöhnliche Geschäftsidee.

Steffi und Michael Backes haben mit ihrem "Zeitwerk" eine recht ungewöhnliche Geschäftsidee.

Foto: Jörg Knappe

Das schwerste Teil steht hinten im Garten. Der Stein mit einem Gewicht von rund 400 Kilogramm war 1860 in die seitlichen Streben des Kölner Doms eingebaut worden. Bei Restaurierungsarbeiten wurde er entfernt und war zu haben. Die Backes griffen zu. Seit 2007 befindet er sich also im Garten ihres Hauses in Lobberich. Doch er ist nicht das einzige Stück Zeitgeschichte im Besitz der Familie.

Steffi und Michael Backes (beide 38) kennen sich seit der Schulzeit. Schon immer haben sie gerne gesammelt. Aber nicht irgendwas. Michael Backes etwa hat die erste Seite aus dem Buchhaltungsheft seines Großvaters aus dem Jahr 1945 aufbewahrt. Dieser betrieb ein Fahrradgeschäft. Im Bilderrahmen daneben hängt ein Scheck über eine Milliarde Mark von 1923. Das erste gemeinsame Stück war schon ein ganz anderes Kaliber: ein Pflasterstein des Werner-Jaeger-Gymnasiums, an dem das Ehepaar sich einst kennenlernte. "Den haben wir bei Sanierungsarbeiten bekommen", erklärt Steffi Backes.

 Ein Stück der Hängebrücke Golden Gate Bridge in San Francisco in den USA.

Ein Stück der Hängebrücke Golden Gate Bridge in San Francisco in den USA.

Foto: Emily Senf

Nicht alles hängt an den Wänden oder steht im Garten. So verwendeten die Backes beim Bau ihres Hauses auch einen alten Rinnstein vom Bauernhof von Steffi Backes' Großeltern in Breyell. "Anfangs waren es persönliche Stücke", berichtet die 38-Jährige. "Das ist dann langsam gewachsen." Inzwischen denkt das Ehepaar ein ganzes Stück weiter.

Vor gut zehn Monaten hatte das Paar die Idee, ihre Sammelleidenschaft zu teilen. Es entstand das Projekt "Zeitwerk". Dafür suchen die beiden in der ganzen Welt nach bedeutenden Monumenten und Exponaten, von denen sie ein kleines Stück bekommen können: ein Teil des Metallseils der Golden Gate Bridge in San Francisco beispielsweise, geborgene Kohle von der Titanic, die 1912 im Nordatlantik mit einem Eisberg kollidierte und sank, oder eine Stufe des Eiffelturms in Paris, die zu einem Stück Wendeltreppe gehört, das in den 1980er-Jahren gegen einen Lift ausgetauscht wurde.

Diese Schuhe soll Tom Hanks in "Forrest Gump" (1994) getragen haben.

Diese Schuhe soll Tom Hanks in "Forrest Gump" (1994) getragen haben.

Foto: Emily Senf

Das Paar durchforstet das Internet, schreibt Erben an und nimmt über die Webcam an Online-Versteigerungen renommierter Auktionshäuser wie Christies' in London teil. "Das ist viel Recherche und viel Frustration", sagt Steffi Backes. Damit wollen sich die beiden davor schützen, auf Betrüger hereinzufallen. "Wir kaufen nur Originalteile, an die wir legal herankommen", sagt Michael Backes, auch bekannt als Zauberkünstler Schmitz-Backes. "Wenn es nicht echt ist, ist es nur ein Stück Metall oder Stoff."

Neun Exponate vereinigen sie auf jeweils einem Rahmen, etwa den mit dem Thema Weltarchitektur; darunter ein Stück der Sydney Opera, der Elbphilharmonie, des Westminister Palace oder Burj Khalifa. "Monumente, die zu ihrer Zeit herausragend waren und Rekorde aufgestellt haben", sagt Michael Backes begeistert. "Jeder weiß sofort, was es ist." Dafür haben die beiden "sehr viel Zeit und sehr viel Geld" investiert, berichten sie, beide Betriebswirte. "Mehrere Hunderttausend Euro dürften es inzwischen gewesen sein", sagt Steffi Backes. Doch um das Geld gehe es ihnen gar nicht.

Steffi Backes Lieblingsstück: "Ein Teil aus dem Westminster Palace."

Steffi Backes Lieblingsstück: "Ein Teil aus dem Westminster Palace."

Foto: Emily Senf

Einer, der diese Meinung teilt, ist Siegfried Tesche. Die Leidenschaft des 61-Jährigen aus Hannover gilt dem britischen Geheimagenten James Bond. "Es gibt niemanden in Deutschland, der dazu mehr besitzt", sagt er und erklärt: "Sammler wollen sich einen Platz in der Geschichte sichern und Erinnerungen bewahren. Kleinteile sind so wertvoll wie große Teile." Dass bei Familie Backes Stücke wie der Anzug eines Stuntman aus dem James-Bond-Film "Ein Quantum Trost" zerschnitten werden, stört ihn nicht. "Nicht alles muss ins Museum", sagt Tesche. "Vieles verrottet in Archiven, weil der Platz zum Ausstellen fehlt. Das ist viel trauriger, als dass Stücke zerteilt werden." Er selbst besitzt Anzüge von James-Bond-Darsteller Pierce Brosnan.

Die Suche der Backes geht weiter. Einen Wunsch wird Michael Backes sich aber nicht erfüllen können. "Ich hätte gerne ein Stück der Chinesischen Mauer", sagt er. "Die steht aber unter Denkmalschutz."

(RP)
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