Katharina Hagena bei den Literaturtagen Nettetal erlebt eine Liebeserklärung an das Singen
Nettetal · „Herzkraft“ hat Katharina Hagena ihr Buch über das Singen genannt, das jetzt bei den Literaturtagen im Mittelpunkt eines unterhaltsamen Abends stand. Es ging um Diven, dunkle Keller und Hormone.
Mit „Herzkraft“ hat die Hamburger Autorin Katharina Hagena ein wunderbares Buch über das Singen geschrieben. Jetzt stellte sie es im Gespräch mit Wolfram Goertz, Musikredakteur der Rheinischen Post, bei den Nettetaler Literaturtagen in der gut besuchten Alten Kirche in Lobberich vor.
Hagena ist über eine Atemtherapie gegen ihre chronische Mandelentzündung zum Singen gekommen. Eigentlich wieder, denn in ihrer Herkunftsfamilie wurde immer schon viel gesungen. Ihr Vater war ein Pastorenkind, das laute Singen vor allem während der Autofahrt war da Programm. Im Handschuhfach des Autos lag immer die „Mundorgel“ bereit. Heute lebt der Vater im Heim, in seiner Demenz verstummt, aber Singen kann er immer noch.
In ihrem Buch beschreibt die Autorin viele solche persönlichen Anekdoten. Aber sie bleibt nicht im Erlebten stecken, sondern hat weiter recherchiert, zu den Grundlagen des Singens, zum Singen im Chor, zur weiblichen Stimme. Goertz –selbst Sänger und Chorleiter – und die Autorin haben das Publikum in die ganz eigene Welt des Singens eingeführt. Sie haben erklärt, welche andere Bedeutung die Maske für den Sänger hat, dass beim Singen der Oberschenkel eine Rolle spielt, und es coronamäßig unbedenklich ist, weil beim Singen keine Aerosole ausgestoßen werden. Nicht die Kehle, sondern das Zwerchfell sei für den Ton entscheidend.
Hagena, promovierte Germanistin, kritisierte, dass in der Literatur etwa mit Orpheus der männliche Gesang gefeiert werde, es aber die weiblichen Stimmen der Nymphen und Sirenen schwieriger hätten, richtig gewürdigt zu werden. Ob Sopranistinnen oder Tenöre die wahren Diven unter den Sängern sind, da waren sich Hagena und Goertz nicht ganz einig.
Auf jeden Fall ist das Buch eine Einladung zum Singen. Vor allem beim gemeinsamen Chorgesang wird das Hormon Oxytocin ausgeschüttet. „Wer singt, kann keine Angst mehr haben“, sagt die Autorin, die es als Kind im dunklen Keller ausprobiert hat.
Angst machen eigentlich mehr die Texte, wie die Autorin hervorhob. Die 1967 in Karlsruhe geborene Hagena lenkte den Blick auf das Lied „Auf de schwäbsche Eisebahne“, in dem eine angebundene Ziege quasi geköpft wird, und an das Berliner Lied „Bolle reiste jüngst zu Pfingsten“. Darin verliert Bolle beim Ausflug im „Jewühl“ seinen Jüngsten, massakriert dann Fünfe bei einer Keilerei mit dem Messer und nimmt sich am Ende das Leben, aber immer hat er sich „janz köstlich amüsiert“.
Und natürlich kann beim Thema Singen nicht nur gelesen und geredet werden. Das Vokalensemble Klang & Gloria Gloria unter der Leitung des Organisten Elmar Lehnen umrahmte die Lesung musikalisch. Zwei Sängerinnen und zwei Sänger vertraten die vier Singstimmen. Lieder wie „Die Gedanken sind frei“ oder „Somewhere Over The Rainbow“ rundeten den unterhaltsamen und lehrreichen Abend ab.