Viersen Kandidaten zum Gesundheitssystem
Viersen · Die Zukunft der Krankenversicherung, Ärztemangel und die Situation von Fach- und Hausärzten: Darüber diskutierten die Bundestagskandidaten aus dem Kreis. Drei der sechs Teilnehmer verwiesen darauf, keine Experten zu sein.
Vielleicht müsse die Ärzteschaft die Politik häufiger informieren, sagte Johann Heinrich Arens bei einer Podiumsdiskussion am Donnerstagabend. Gerade hatte der Hausarzt und Vorsitzende des Gesundheitsnetzes Viersen zwei Stunden lang mit sechs Bundestagskandidaten aus dem Kreis über Gesundheitspolitik diskutiert. Drei der Kandidaten sagten wiederholt, sie seien keine Experten im Gesundheitswesen und zeigten Wissenslücken. Arens reagierte: Die Ärzteschaft müsse offenbar erst einmal über Probleme im Gesundheitssystem informieren, bevor sie Lösungen fordert. Er hatte die Runde in Dülken gemeinsam mit RP-Redakteur Andreas Reiners moderiert.
Die etwa 30 Zuhörer beteiligten sich lebhaft. Als die Kandidaten über Krankenversicherungen sprachen, schilderte eine Frau ihre Angst vor der Altersarmut: Sie und ihr Mann sind privat versichert, nun droht ihm mit 55 Jahren der Jobverlust. Das Paar zahlt knapp 1000 Euro im Monat für die Versicherung, mehr als die Hälfte der zu erwartenden Rente. In die gesetzliche Versicherung können sie nicht zurück, sehen keinen Ausweg.
"Das ist ein Problem der privaten Krankenversicherung", erklärte Arens. Die Rückkehr für Ältere sei vor zehn Jahren ausgeschlossen worden, um die Privatversicherung unattraktiver zu machen. "Denen, die das entschieden haben, muss klar gewesen sein, dass man damit Leute in die Armut treibt", wetterte der Arzt.
Der SPD-Kandidat Udo Schiefner widersprach mit hochrotem Kopf — seine Parteikollegin Ulla Schmidt war vor zehn Jahren Gesundheitsministerin: "Man hat die Leute nicht bewusst in die Armut getrieben!" Doch das aktuelle System aus privater und gesetzlicher Krankenversicherung funktioniere auf Dauer nicht. Dafür fehle das Geld. Stattdessen brauche Deutschland eine breit finanzierte Bürgerversicherung. Auch Linken-Kandidatin Britta Pietsch warb dafür, ebenso wie Grünen-Kandidat Renè Heesen.
Uwe Schummer (CDU) hingegen wies darauf hin, dass das bestehende System einen Überschuss von 30 Milliarden Euro erwirtschaftet habe, was er auf die gute Arbeitsmarkt-Situation zurückführte. Diesen Weg müsse man weitergehen. Heesen widersprach: "30 Milliarden Euro sind im bestehenden System ein Tropfen auf den heißen Stein." Man müsse das System ändern. Weniger klar positionierte sich Piraten-Kandidat Tobias Leppkes: Man wolle die Bürger an der Entscheidung beteiligen. Weil das noch nicht möglich sei, solle sich das bestehende System annähern — was das heißt, erklärte er nicht. FDP-Kandidat Andreas Bist sagte, das System aus privater und gesetzlicher Versicherung funktioniere: "Wir müssen darauf aufbauen." Zugleich solle es eine Grundversicherung für alle geben.
Die Kandidaten diskutierten auch über den drohenden Ärztemangel. "Im Kreis Viersen haben wir noch kein Problem", sagte Reiners. Da jedoch viele Ärzte kurz vor der Rente stehen, kann sich das in Kürze ändern. Schummer und Pietsch waren sich einig, dass die Zahl der Medizinstudenten steigen solle. Schummer schlug zudem mehr Familienfreundlichkeit vor, da mehr als 70 Prozent der Medizinstudenten weiblich seien. Auch Schiefner von der SPD forderte eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen. Wie dies erreicht werden könnte, blieb unklar. Konkreter wurde Pietsch: Sie forderte, Ärzte anzustellen. Heesen schlug vor, Ärzte besser zu bezahlen. Bist (FDP) erklärte lediglich, das Thema sei eine große Baustelle, Leppkes (Piraten) sagte, man müsse daran arbeiten.
Arens regte sich bei der Debatte um die Abstimmung zwischen Fach- und Hausärzten auf. Als Hausarzt erhält er keine Daten von Fachärzten, wenn ein Patient ohne seine Überweisung dorthin geht — schlecht für die Versorgung. "Sie haben dieses Chaos beschlossen!", warf er den Politikern vor.
Pietsch sagte daraufhin, Polikliniken könnten das Problem lösen. Heesen sagte, man müsse Daten auf den Versicherungskarten speichern. Seine Konkurrenten stimmten zu, dass dies das Chaos verringern könnte — sahen aber Probleme im Datenschutz und bei Verlust der Karte. Eine Lösung dafür hatten sie nicht parat. FRAGE DES TAGES