Nettetal Kahle Köpfe halten Gericht

Nettetal · Am Nelkensamstag ist der eigenwilligste und vielleicht ursprünglichste närrische Umzug in der Breyeller Sektion Lötsch unterwegs. Hier regiert dann der Brezmeester, und das "Fränzchen" wird verdonnert.

 Da fand sich Prinz Norbert plötzlich in einer ganz ungemütlichen Lage wieder: Bäuchlings und im Angesicht zu Angesicht mit dem armen "Fränzchen" harrte er der Hiebe durch den Brezmeester (rechts,

Da fand sich Prinz Norbert plötzlich in einer ganz ungemütlichen Lage wieder: Bäuchlings und im Angesicht zu Angesicht mit dem armen "Fränzchen" harrte er der Hiebe durch den Brezmeester (rechts,

Foto: Goertz

Brezmeester Burkhard Michels sorgt am Samstag in Lötsch wieder für Zucht und Ordnung. Und das ausgerechnet inmitten des bunten Narrentreibens. Der Brezmeester ist eine Hauptfigur in einem der skurrilsten und vermutlich noch ursprünglichsten Karnevalsumzüge in der ganzen Region. Die Gesellschaft "de molveren dei" hält seit Jahrzehnten eisern an ihrem Brauchtum fest, dessen Hintergrund nicht wirklich geklärt ist. Denn die Narren gehen mit einer anderen Hauptfigur ganz und gar nicht zimperlich um: Über das "Fränzchen" sitzen sie unnachgiebig zu Gericht, hängen es schließlich auf und verbrennen es am Ende der Karnevalszeit.

Frank Goertz ist der Organisator des eigenwilligen Umzuges durch die Sektion. Sie ist nur wenige hundert Meter lang, aber der närrische Treck benötigt gerne drei Stunden und mehr auf seinem Weg. "Es nehmen etwa 15 Fußgruppen teil. Wagen gibt es bei uns nicht, das wäre nicht unser Flair", berichtet Goertz. Im Wesentlichen ziehen hier Lötscher, Breyeller und Schaager mit. Auch einige Lobbericher finden seit einigen Jahren den Weg am Nelkensamstag in die Sektion. Für die Musik sorgt seit einigen Jahren schon das Trommlerkorps Breyell-Schaag.

Auf der Schubkarre

Der Zug benötigt so lange, weil er immer wieder an den Häusern ins Stocken gerät. Denn dort wird den Teilnehmern gerne eine Stärkung angeboten, dafür muss man sich revanchieren — und so geht einige Zeit ins Land, ehe bis zur nächsten oder übernächsten Haustür geht. Der Brezmeester sorgt auf durchaus derbe Art für Ordnung und Unterhaltung. Lobberichs Prinz Norbert fand sich bei seiner Teilnahme 2011 unversehens bäuchlings auf der Schubkarre wieder, in der das arme Fränzchen durch die Sektion gekarrt wird. Es gab ein paar Hiebe auf den verlängerten Rücken. Die "Pein" konnte der Prinz erst beenden, indem er den Lötschern ein Lied anstimmte.

Rigoroser gehen die kahlen Köpfe — dies bedeutet das dem "Krämerlatein" der Breyeller entlehnte "molveren dei", die aber ihre Haarpracht heute nicht mehr mit übergestülpten Schweinsblasen kaschieren — mit dem "Fränzchen" um. "Das Fränzchen vereinigt in seiner Person eigentlich alles, was im vergangenen Jahr in Lötsch so schiefgegangen ist. Ob für die ganze Sektion oder auch einzelne Lötscher", schmunzelt Frank Goertz.

So macht ein strenges Gericht die lange Liste von Sünden auf, wenn das Fränzchen gegen Zugende "verdonnert" wird. Bis vor einigen Jahren wurde es über die Karnevalstage aufgehängt und erst am Veilchendienstag verbrannt. So lange wird heute nicht mehr gewartet, am Nelkensamstag wird das Urteil vollstreckt.

Die Lötscher wollen noch lange an ihrem Brauch festhalten. "Es machen wirklich viele aktiv mit", freut sich Frank Goertz. Allerdings bröckele hier und da doch ein wenig die Bereitschaft mitzumachen. "Neu-Lötscher" haben offensichtlich etwas Mühe, sich mit dem Brauchtum anzufreunden und es mit den anderen zu bewahren.

(RP/rl)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort