Lesung in Kaldenkirchen Juan Moreno – der reisende Reporter stoppt in Nettetal

Nettetal · Der Verein Nettetaler Literaturtage holte Juan Moreno zu einer Lesung in die Alte Fabrik in Kaldenkirchen. Der Journalist hatte die Fälschungen eines Kollegen beim „Spiegel“ aufgedeckt.

 Juan Moreno unterhielt 120 Zuhörer in der Alten Fabrik.

Juan Moreno unterhielt 120 Zuhörer in der Alten Fabrik.

Foto: Ja/Knappe, Joerg (jkn)

Volles Haus in der Alten Fabrik: Rund 120 Zuhörer waren der Einladung des Vereins Nettetaler Literaturtage gefolgt, um Juan Moreno, Journalist und Buchautor aus Berlin, zu erleben. Moreno war der Journalist, der 2018 die Manipulationen seines Kollegen Claas Relotius beim „Spiegel“ entdeckte. Darüber schrieb er das Buch „Tausend Zeilen Lüge“. Inzwischen wurde es Buch verfilmt, der Film „Tausend Zeilen“ von Michael Bully Herbig kommt am 29. September in die Kinos.

Moreno las aber nicht aus diesem Buch, sondern aus „Glück ist kein Ort. Geschichten von unterwegs“. Zu dieser Lesung hatte ihn noch Ulrich Schmitter, der als Bibliotheksleiter zum Jahresende in den Ruhestand ging, eingeladen. Schmitter moderierte die nachgeholte Lesung auch.

Moreno, der im nächsten Monat 50 wird, ist ein charmanter Plauderer und ein unterhaltsamer wie empathischer Autor. Dass er die Dauer der Lesung überzog, nahm ihm niemand übel. Erstaunlich, dass Nettetal nach Berlin erst die zweite Lesung aus diesem Buch war. Mit der ersten gelesenen Geschichte über seine Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn setzte er ein Zeichen. „Wir dürfen die Menschen in Russland nicht vergessen“, sagte Moreno. Seine Schilderungen von einem stockbesoffenen Schaffner, der die Reisenden auf das Wodka-Verbot im Zug hinweist, war nur ein witziges Beispiel für das „rollende Kammerspiel“ über das wahre Russland außerhalb von Moskau und St. Petersburg. Als Reporter und vermeintlicher westlicher Spion hat Moreno die ganze Fahrt über 150 Stunden und durch acht Zeitzonen bis nach Wladiwostok erlebt.

Reisen, die man nicht buchen kann, hat Moreno auch unternommen, etwa in einem „Sprinter“ von Rumänien bis nach Portugal. Mit der Überschrift „Der letzte Europäer“ fasst er Leben und Ansichten des rumänischen Busfahrers zusammen, der Leiharbeiter und Pakete aus der Heimat 4000 Kilometer quer durch halb Europa fährt. Dabei nimmt Moreno auch 100 Stunden rumänischen Folklore-Pop – zum Wachbleiben des Fahrers notwendig – in Kauf. Er erfährt von Zigaretten aus der Ukraine, die nach Frankreich „geliefert“ werden und die „Tarife“ für ungarische Zöllner und Polizisten, um in Ruhe gelassen zu werden. Am Ende fährt Moreno zum Häuschen am See in Brandenburg, seine Frau und vier Töchter haben den Song „Haus am See“ von Peter Fox als Aufforderung verstanden. Dort stellte Moreno fest, Glück ist doch ein Ort.

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