Nettetal Im Museum "Van niks jät maake"

Nettetal · Das Team des Dorfmuseums in Hinsbeck erinnerte an die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg: Da viele Menschen vor dem Nichts standen, mussten sie erfinderisch sein. Wiltrud Bartels zeigte, wie aus einem Hemd eine Weste wird.

 Dieter Snyders und Ursula Drissen schauen zu, wie Wiltrud Bartels aus einem Hemd eine Weste herstellt. Seit 35 Jahren gibt Wiltrud Bartels ihr Wissen in der Familienbildungsstätte Duisburg-West weiter.

Dieter Snyders und Ursula Drissen schauen zu, wie Wiltrud Bartels aus einem Hemd eine Weste herstellt. Seit 35 Jahren gibt Wiltrud Bartels ihr Wissen in der Familienbildungsstätte Duisburg-West weiter.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Wiltrud Bartels nahm sich einen ganzen Tag Zeit, um ihre Arbeit zu machen. Die ausgebildete Schneiderin hatte sich eine ungewöhnliche Aufgabe gesetzt: Sie machte "aus nichts" ein neues Kleidungsstück. Denn das Team des Dorfmuseums in Hinsbeck wollte daran erinnern, dass die Menschen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs oft buchstäblich vor dem Nichts standen. "Van niks jät maake — Schneider in der Nachkriegszeit" war der Titel der monatlichen Sondervorführung im Juni.

Einmal im Monat öffnet der Verkehrs- und Verschönerungsverein (VVV) Hinsbeck das Dorfmuseum. Man kann viel sehen und bestaunen, was im Laufe der vergangenen Jahre hier gesammelt und "ausstellungsreif" gemacht wurde. Es gibt aber immer wieder auch besondere Aktionen, in denen vor allem einem jüngeren Publikum gezeigt wird, wie es in früheren Jahrzehnten einmal zuging. Ältere Besucher schwelgen dabei meist in wieder zurückkehrender Erinnerung.

So erging es den Gästen des Museums, als Wiltrud Bartels sich an die Aufgabe machte, ein altes Hemd in eine Herren-Weste umzuarbeiten. Sie hat nach ihrer Lehre eine zusätzliche Ausbildung als Schnitttechnikerin in Düsseldorf absolviert. Seit 35 Jahren gibt Bartels ihr Wissen in Nähkursen in der Familienbildungsstätte in Duisburg-West weiter.

Der Stoff, aus dem die Weste gefertigt werden sollte, wurde im Jahre 1847 vom Dülkener Hausweber Konrad Engels hergestellt. Seine Frau verarbeitete den vom Mann gewebten Stoff zu einem Hemd. Es wurde getragen, und irgendwann wurde ein Ärmel des Hemdes für einen anderen Zweck abgetrennt. Das Hemd konnte nicht länger getragen werden. Die Umarbeitung eines solchen Wäschestückes war in früheren Zeiten und insbesondere nach den beiden Weltkriegen etwas Selbstverständliches. Wie dies erfolgte und welche Kunstfertigkeit die Schneider früher an den Tag legen mussten, sollte im Dorfmuseum demonstriert werden.

Wiltrud Bartels musste das Hemd zunächst durch Auftrennen der Nähte in seine einzelnen Bestandteile zerlegen. Dann zeichnete sie einen Papierentwurf auf den Stoff durch. Sie schnitt ihn zu, steckte ihn zusammen und vernähte die einzelnen Teile miteinander. Anschließend stellte sie den Innenstoff mit den gleichen Arbeitsschritten her. Sie vernähte danach die beiden Teile miteinander, und zwar so, dass das spätere Innenteil außen lag. Im nächsten Schritt "verstürzte" sie die Weste — sie wendete das Innere nach außen. Nach dem Aufnähen der zwischenzeitlich hergestellten Taschen und dem Anbringen der Knopflöcher sowie der Knöpfe wurde eine schöne Weste sichtbar.

Die vielen Besucher an diesem Tag zeigten, dass das Interesse an dieser Vorführung recht groß war. Zahlreiche ältere Schneider wollten sich die Arbeit ansehen. Sie brachten gleichzeitig auch Bilder ihrer eigenen Nachkriegs-Arbeiten vorbei. Diese zeigten beispielsweise Kommunionanzüge, die aus Anzügen des Opas hergestellt worden waren, oder Kleider aus umgefärbten Mantelstoffen. Es ist bewundernswert, mit welcher Fantasie, aber auch mit wie viel Einfühlungsvermögen die Schneider früher und insbesondere in der kargen Nachkriegszeit diese Arbeiten ausführten. FRAGE DES TAGES

(heko)
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