Nettetal "Ich habe keine Angst vor Emotionen"

Nettetal · Als Notfallpsychologin kümmert sich Sabine Rau um Menschen in emotionalen Extremsituationen. Für ihr Engagement wird die Nettetalerin heute von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft mit dem Verdienstorden geehrt

Nettetal: "Ich habe keine Angst vor Emotionen"
Foto: Fotostudio Wacker

Wenn Sabine Rau von ihrer Arbeit erzählt, ist sie voller Leidenschaft. Ihre Augen ganz wach, aufmerksam. Die Worte sprudeln aus ihr heraus. Dennoch verströmt sie gleichzeitig eine angenehme Ruhe. Man merkt, diese Frau liebt ihren Job. Dabei ist er alles andere als alltäglich. Und alles andere als leicht. Sie ist leitende Notfallpsychologin für Großeinsätze in Düsseldorf. Sprich: Sie sieht viel Leid, Schock und Schmerz. Doch das ist für sie nur vordergründig. Sie sieht auch die Menschen dahinter, die Hilfe benötigen. "Für mich ist es ein Geschenk, Menschen in solch schwierigen Situationen zu unterstützen", sagt die 37-jährige Nettetalerin. "Ich habe keine Angst vor den Emotionen anderer - aber großen Respekt." Und genau das macht sie zu einer besonderen Frau, die heute von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft mit dem Verdienstorden ausgezeichnet wird.

Dabei steht Sabine Rau nur sehr ungern im Rampenlicht. Sie betont, dass ihre Arbeit nur mit einem gut eingespielten Team funktioniert. Und: Es müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen gegeben sein. Genau dort sieht sie dringenden Handlungsbedarf. "Da würde ich mir noch ein wenig Verbesserung wünschen, damit Hilfe gesichert funktioniert", sagt die Psychologin.

Etwa drei Mal im Jahr kommt es zu einem Großeinsatz, bei dem ihr Team gefordert ist. Einer ihrer größten Einsätze war die Betreuung der Angehörigen des Germanwings-Absturzes in den französischen Alpen. Wenn die Feuerwehr die Notfallpsychologen ruft, geht es zunächst um Organisation, betont sie. "Denn zu viel Hilfe kann auch schädlich sein." Zuerst müsse vor Ort geschaut werden, was benötigt werde und wie viele Helfer sich kümmern sollten. Dabei sei aber das klassische Darüberreden nicht unbedingt das Richtige. "So kann sich das Erlebte auch verfestigten", sagt Rau. "Bei Kindern etwa bedarf es der Ablenkung. Bei Erwachsenen stellen wir uns vor, bieten Hilfe an und verteilen Visitenkarten." Viele wollten die Situation lieber alleine verarbeiten. Andere wenden sich später an sie. "Ich bin immer wieder erstaunt, was die Psyche leisten kann und wie stark Menschen sind. Vor allem Kinder haben eine besondere Art mit Ausnahmesituationen fertig zu werden", sagt die Mutter eines Dreijährigen.

Sabine Rau interessierte sich schon früh für andere Menschen. Ihr erstes Praktikum absolvierte sie im Kinderkrankenhaus, studierte Psychologie, spezialisierte sich später auf den Bereich Sucht. Seit elf Jahren ist sie Mitarbeiterin des Düsseldorfer Gesundheitsamtes. Dort leitete sie zehn Jahre die Rehaklinik für Drogenabhängige. Mit Erfolg. Vor einem Jahr wurde aus dem Pilotprojekt ein ständiges Angebot der Diakonie. Seit 2009 ist sie leitende Notfallpsychologin. Und seit Ende 2015 widmet sich Sabine Rau, wenn sie nicht gerade im Großeinsatz ist, dem Bereich Prävention und Gesundheitsförderung, ergänzt das Fortbildungsprogramm des Gesundheitsamtes. Etwa an Schulen und Kindergärten schult sie Erzieher und Mediatoren im Umgang mit Temperamenten von Kindern. Zudem geht es um die Erkennung von Warnzeichen und Frühsymptomen psychischer Erkrankungen und vor allem psychischer erster Hilfe.

Während ihrer Einsätze in emotionalen Extremsituationen funktioniert die Nettetalerin nicht nur einfach. "Was mich auszeichnet, ist, dass ich die Emotionen der Betroffenen an mich heranlasse. Ich spüre auch den Schmerz. Bis zu einem gewissen Grad." Das helfe ihr, die Situation für die Betroffenen durchstehbar zu machen. Sie selbst nimmt die Emotionen zwar mit nach Hause. Doch dort wird sie von ihrer Familie liebevoll aufgefangen. "Sie ist ein sicherer Hafen für mich."

(RP)
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