Nettetal Hans Matussek weckt Neugier auf Mann-Roman

Nettetal · Die Gästeliste der Nettetaler Literaturtage ist lang. Eine zuverlässige Konstante ist darin Hans K. Matussek von der ortsansässigen Buchhandlung und Mitinitiator der Reihe. Zur elften Auflage zog er seine Zuhörer in der Stadtbücherei Breyell mit seinem 12. Vortrag während des literarischen Kulturprogramms in den Bann. Es sei schon erstaunlich, dass Matussek immer noch Neues über Thomas Mann und dessen Werk zu sagen habe, würdigte Ulrich Schmitter den Literaturfreund und -kenner.

Dieser hatte sich nun intensiv mit Manns zweitem Roman "Königliche Hoheit" auseinandergesetzt. Matusseks besondere Verehrung für Thomas Mann ist bekannt. Im literarischen Kreis mache sich schon mancher darüber lustig, dass er noch nie einen Vortrag geschafft habe, ohne Thomas Mann wenigstens zu erwähnen, gestand Matussek. Auch dieses Mal stellte er mit Akribie und Spürsinn überraschende Details zum Werk, dessen Entstehungsgeschichte und geistesgeschichtlichen Hintergründen vor. Zu Beginn berichtete Matussek von Manns Erzählung "Das Eisenbahnunglück", in der der Schriftsteller eine tatsächliche Begebenheit verarbeitet hat. Während einer Lesereise hatte er sein Manuskript im Gepäckwagen untergebracht und fürchtete nach dem Unfall, dieses könnte unrettbar verloren sein - eine Abschrift gab es nicht. In der Erzählung lässt er den Schriftsteller in gleicher Situation über das Werk denken: "Mein Bienenstock, mein Kunstgespinst, mein kluger Fuchsbau, mein Stolz und meine Mühsal, das Beste von mir". Überdies belegte Matussek ausführlich, wie Mann Personen aus dem familiären Umfeld in ihren Eigenarten verarbeitet habe. "Wenn Imma beschrieben wird, achten Sie bitte auf die Formulierungen. Es ist immer Katia Mann", betonte Matussek. Immas resolutes Auftreten gegenüber einem Wachbataillon entspreche Katias Auftreten gegenüber einem Fahrkartenkontrolleur. Das Bild der zornigen Schönen habe Mann fasziniert und sei erhalten durch Katia Manns Memoiren. Mit weiteren Textstellen belegte Matussek, dass Thomas Manns Bruder Heinrich Vorbild für den Thronfolger Albrecht gewesen sei. Die Ausritte der königlichen Hoheit mit Imma seien eine Abwandlung der Fahrradtouren, die Heinrich mit Katia unternommen habe. Der Schriftsteller habe sein Werk ein "autobiografisches Märchen" genannt und seine Gedanken zum Gegensatz von Kunst und Leben n aufgegriffen.

Der Referent berichtete, dass Thomas Mann diesen Roman, der in seiner Bedeutung lange Zeit nicht wahrgenommen wurde, bis in die letzten Lebensjahre verteidigt habe. Die Verfilmung mit Dieter Borsche und Ruth Leuwerik habe der Autor als "völlig entleert und verpfuscht, blöd und peinlich" bewertet und erreicht, dass im Abspann vermerkt wurde "frei nach Thomas Mann".

"Ich hoffe, Sie animiert zu haben, diesen Roman zu lesen und das vielleicht unter anderen Gesichtspunkten", sagte Matussek.

Die Neugierde dürfte durch diesen facettenreichen Vortrag jedenfalls geweckt sein.

(anw)
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