Kreis Viersen Grüne entfernen sich von der Politik

Kreis Viersen · Eine Analyse: In der Partei regiert Eigensinn über dem Gemeinsinn.

Martin Willke, Kreisgeschäftsführer der Grünen, war vorsichtshalber am Samstag nach Vorst gefahren, auch wenn der Parteitag aus formaljuristischen Gründen abgesagt werden musste. Ein einzelnes Mitglied, das die Absage nicht erreicht hatte, fing er tatsächlich ab. Willke will nicht noch zusätzlich Öl ins Feuer gießen. Machtkämpfe oder inhaltliche Differenzen sehe er nicht hinter den Streitigkeiten zwischen Teilen des Ortsverbandes Viersen und dem Kreisvorstand.

Schön wäre es. Aber es geht um Macht und um Einfluss. Die Grünen im Kreis Viersen sind, was das Parteienspektrum angeht "normal" geworden. Mit ihrer Entwicklung vom parteipolitischen Farbtupfer zu einer ernstzunehmenden Größe bei Wahlen mit dem vorläufigen Höhepunkt, dass die Viersenerin Martina Maaßen ein grünes Landtagsmandat erhielt, sind wohl menschlich-allzumenschliche Mechanismen in der Partei ausgelöst worden.

Ginge es um eine politisch unterschiedliche Ausrichtung, wäre noch nachvollziehbar, was sich das im Augenblick zwischen Viersen und dem Rest der grünen Welt im Kreis Viersen abspielt. Aber es geht nicht um Energie- oder Finanz-, Sozial- oder Umweltpolitik. Es geht ganz banal darum, dass jemand wohl dringend "Erster Alles" sein will. Dieser Jemand ist der Ortsverband Viersen und personifiziert sich in Funktionärskasten alter Prägung. Denn der grüne Nachwuchs in der Kreisstadt ist dem Vernehmen nach ganz anderer Meinung, aber in den formalistischen Putschversuch nicht eingebunden.

Niemand weiß, warum die Grünen sich unbedingt auf die Spuren der bundes- und landesweit gerade von ihrer Führung so verspotteten FDP begeben hat. Vielleicht hat man in Viersen — ob in der Wilhelmstraße, wo der Ortsverband mit der Landtagsabgeordneten residiert, oder am Bahnhof, wo der Kreisverband sitzt — nicht wahrgenommen, dass personelle Demontagen nicht vor Einzelpersonen halt machen. Der ganze Laden gerät ins Rutschen, weil Wähler die postpubertäre Unterdemtischtreterei keineswegs stimulierend finden.

In der Partei wird Eigensinn über den Gemeinsinn gestellt und die ineinander verkeilten Kontrahenten weigern sich, grüne Grundtugenden zu leben. Beim Bundesparteitag im November erklärte Katrin Göring-Eckardt, den Grünen seien "ganz normale Grundtugenden, wie Anstand, Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit" wichtig. Die bürgerliche Koalition habe vergessen, "wie man sich benimmt". In Viersen braucht es zu Letzterem keine bürgerliche Koalition. Grüne reichen.

(RP)
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