Geschichte des heutigen Kreises Viersen Vom „schönen Ehrentod für das Vaterland“

Kreis Viersen · Nach dem Krieg hatten Kriegervereine Konjunktur. Auch Kriegerdenkmäler wurden errichtet, etwa in Kaldenkirchen. Das Denkmal an der Kehrstraße kostete ein Fünftel des Jahresetats der Stadt.

 Die alte Postkarte zeigt das Kriegerdenkmal, das 1913 an der Ecke Kehrstraße/Bruchstraße in Kaldenkirchen errichtet wurde.

Die alte Postkarte zeigt das Kriegerdenkmal, das 1913 an der Ecke Kehrstraße/Bruchstraße in Kaldenkirchen errichtet wurde.

Foto: Bürgerverein Kaldenkirchen

Der Sieg über Frankreich und die Kaiserproklamation Wilhelms I. im Spiegelsaal von Versailles, die Abtretung von Elsass-Lothringen an das Deutsche Reich sowie der enorme wirtschaftliche Aufschwung Deutschlands in den folgenden Jahrzehnten ließen keinen Raum für ein kritisches Hinterfragen des Sinns von Leiden und Tod auf dem Schlachtfeld. Kriegervereine hatten Konjunktur und Kriegerdenkmäler wurden errichtet.

Aus dem kleinen Leuth waren zwei Männer nicht zurückgekehrt. Zu ihren Ehren wurde 1877 in der Pfarrkirche eine Gedächtnistafel angebracht, nachdem sich schon 1872 ein „Krieger-Unterstützungs-Verein“ konstituiert hatte. Immerhin war im selben Jahr im Dorf eine neue Friedenslinde gepflanzt worden, nachdem die 1871 gepflanzte eingegangen war.

Für die Nachhaltigkeit der auf uns vollkommen überzogen wirkenden, aber von den Zeitgenossen als angemessen betrachteten Denkweise ist der Bericht in der Geschichte Lobberichs von Johann Finken aus dem Jahre 1902 typisch. Er schilderte den schon drei Jahrzehnte zurückliegenden Krieg mit vollkommen unkritischer Begeisterung: „Als im Jahre 1870 der alte Erbfeind Deutschlands, Frankreich, wieder unser Vaterland bedrohte, setzte unser König Wilhelm die ganze Armee in Kriegsbereitschaft und mutig folgte auch Lobberichs wehrkräftige Mannschaft wiederum dem Rufe des Landesvaters. Die Nachrichten von den herrlichen Siegen, welche Preußen und seine Verbündeten ununterbrochen erfochten, wurden – wie überall – auch hier in Lobberich mit großem Enthusiasmus aufgenommen, und, während die Söhne auf französischem Boden mit Todesverachtung sich in den Kugelregen stürzten, hielten die Väter daheim sich verpflichtet, auf dem Altare des Vaterlandes ebenfalls Opfer zu bringen. Sammlungen von Geld und Naturalien wurden veranstaltet und die reichhaltigen Erträge dem Unterstützungskomitee für den Kreis Kempen übermittelt. Während aus dem Kriege gegen Österreich sämtliche Soldaten Lobberich’s, mit Ausnahme eines, in die Heimat zurückkehrten, starben aus dieser Gemeinde während des Feldzuges 1870/71 5 Söhne den schönen Ehrentod für das Vaterland, von denen 2 in der Schlacht, 1 in Folge Verwundung, und 2 in Folge von Krankheiten zum frühen Ende ihrer irdischen Laufbahn gelangten.“

Mit großem Pomp wurde in Kaldenkirchen, wo angesichts der grenzbedingt starken preußischen Beamtenschaft nationale Stimmung leichter zu entfachen war, 1913 ein ambitioniertes Denkmal mit den Namen der Toten von 1870/71 errichtet. Es galt zugleich dem 25-jährigen Thronjubiläum von Kaiser Wilhelm II. und wurde am selben Tage enthüllt, als im fernen Leipzig das Völkerschlachtdenkmal eingeweiht wurde.

Ein Fünftel des Jahresetats der Stadt ließ man sich das Denkmal mit Siegfriedfigur und Kaiserporträt kosten. 1912 war die zunächst eher bescheidene Absicht, „auf einem kleinen Platz inmitten der Stadt am Kreuzungspunkt zweier Straßen zur Ehrung der hiesigen am Krieg 1870/71 teilgenommenen Krieger einen Gedenkstein errichten zu lassen“, erstmals bekundet worden.

Die patriotischen Reden, die dann weniger als ein Jahr vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges bei der Denkmalenthüllung 1913 in der Grenzstadt gehalten wurden, lassen den heutigen Leser angesichts des Fehlens jeden versöhnlichen Untertons ziemlich ratlos zurück.

Das imposanteste Denkmal zu Ehren der Gefallenen von 1870/71 im Kreis Kempen war schon 1878/79 auf den Süchtelner Höhen errichtet worden.

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