Nettetal Gang durch ein Jahrtausend

Nettetal · Vom "heterogen" gestalteten Marktplatz bis zur alten Kirche sind es in Lobberich nur wenige Meter, die Zeitreise aber umfasst mehr als 1000 Jahre. Die CDU machte sich auf den Weg.

"Treffpunkt Wenkbüll" heißt es neuerdings, wenn in der Ortsmitte eine Unternehmung gestartet wird. So wählte die CDU diese "Gestalt, in der sich des Lobberichers Wesen widerspiegelt", als Ausgangspunkt für eine kleine Reise in die Vergangenheit mit dem Historiker Dr. Theo Optendrenk als höchst kundigem Begleiter.

Dieser charakterisierte zunächst die Bebauung von Markt und Marktstraße als "heterogen" oder "alles durcheinander". Man müsse bedenken, dass hier bis weit in die 1950er-Jahre noch wurden und der Neustart in eine Zeit fiel, "die nicht wusste, wo sie hin wollte". So blieben von alten Fassaden nur noch wenige übrig – und die meist auch erst ab der ersten Etage.

"Da hub man an..."

Angesichts des mächtigen Rathausbaues plauderte Theo Optendrenk aus dem historischen Nähkästchen und erinnerte an den 28. November 2000, als bei Renovierungsarbeiten im alten Rathaus der Grundstein des 1864 errichteten Gebäudes gefunden wurde. Er enthielt auch eine Urkunde mit bis dahin nicht bekannten Jahreszahlen und ein Gedicht, in dem der Rathausbau gefeiert wurde: "Da hub man an zu Lobberichs Zier ..." Das einstige Bauerndorf war dank der Textilindustrie ein properes Städtchen geworden, dessen Einwohnerzahl innerhalb weniger Jahrzehnte auf rund 7000 stieg. Deshalb erhielt das Rathaus in den 1890er-Jahren einen Anbau für Sitzungssaal und Gemeindesparkasse, wurde eine neue Kirche mit zwei Türmen am Rande des damaligen Ortskerns errichtet.

Wie alt nun die alte Kirche ist, kann der Historiker nicht exakt sagen. Bei Ausgrabungen, berichtete Optendrenk, sind vor Jahren Fundamente einer romanischen Kirche aus der Zeit etwa "um 1200" gefunden worden. Darüber steht nun Gotisches und Barockes. Viel wichtiger nehmen die Lobbericher aber eine Notiz in der Gründungsgeschichte der Mönchengladbacher Abtei St. Vitus, in der die Pfarren Tegelen, Lobberich und Venlo um 985/990 von Köln nach Lüttich umgeordnet wurden. "So kommt Lobberich in die Geschichte wie Pilatus in die Bibel", meinte Optendrenk mit einem Augenzwinkern.

Sichtbares Zeichen für Lobbericher Geschichte ist auch Burg Ingenhoven. Sie war einst Sitz einer Linie derer von Bocholtz, die wichtige Persönlichkeiten in Kirche und Staat hervorbrachte. Weil im 18. Jahrhundert männliche Nachkommen fehlten, kam der Besitz in bürgerliche Hände, so in die des Textilindustriellen Carl Niedieck. Dieser ließ seinen Bruder Julius Ende der 1860er-Jahre Haus Erlenbruch erbauen, das nach vielen Besitzerwechseln (Robert Kahrmann, Stadt Nettetal) seit etlichen Jahren bereits sorgfältig von einem Privatmann erneuert wird.

Beim kurzen Rundgang wurde auch am Mahnmal für die einstigen jüdischen Bürger Halt gemacht: Es erinnert an zwölf Frauen, Männer und Kinder, die die nationalsozialistische Schreckensherrschaft nicht überlebten. Nur einer überlebte Auschwitz und kam nach Lobberich zurück.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort