Nettetal Ein Baldachin schützt Himbeeren vor Wind und Wetter

Nettetal · Um den Launen der Natur zu entkommen, bauen Landwirte Beeren unter einem schützenden Dach an. Nordrhein-Westfalen liegt weit vorn in dieser Anbauform: Die vielen Einwohner sind ein sicherer Absatzmarkt für die zarten Früchte.

Himbeerernte in Nettetal
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Himbeerernte in Nettetal

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Die Diva unter den Früchten ist nicht so leicht auszurechnen. "Himbeeren, da werd ich nicht schlau draus", sagt Wilhelm Bonnacker, obwohl er jahrelange Erfahrung hat. Der Strauch mit den roten Beeren reagiert sofort, wenn es zu trocken oder heiß wird und lässt dann zum Beispiel die Blätter hängen. Bei Bonnacker im niederrheinischen Nettetal, direkt an der Grenze zu den Niederlanden, wächst die kapriziöse Pflanze tausendfach, akkurat ausgerichtet in 150 und 200 Meter langen Reihen.

Überall blitzen die roten Früchte zwischen dem Laub hervor. Ein Dutzend Erntehelfer schiebt kleine Wagen den Spaliergang entlang. Die Männer und Frauen bücken und recken sich. Vorsichtig werden die Früchte gezupft und in verschiedene Schälchen sortiert. Kilo-, zentner-, tonnenweise.

Die Königin der Beeren gedeiht auf dem Betrieb unter einem Baldachin. Wie Bonnacker setzen immer mehr Landwirte in Nordrhein-Westfalen auf diesen "geschützten Anbau". Dabei wachsen die Pflanzen im Tunnel, unter Glas oder unter einem Plastikdach heran.
Die Folie schützt die empfindlichen Früchte vor Hagel, Regen und Sonne - und den Anbauer vor den Launen der Natur und teuren Ernteausfällen. In den vergangen Wochen etwa hielt das Dach den vielen Regen fern - gut für die Qualität der Früchte.

Vor etwa 15 Jahren kam diese Form der Kultivierung von Beerenobst auf und hat seitdem stark zugenommen. "Die Niederländer und die Belgier haben es vorgemacht", meint Peter Muß vom Provinzialverband Rheinischer Obst- und Gemüsebauer in Bonn.

Nordrhein-Westfalen liegt im geschützten Beerenanbau vorn. Beim bundesweiten Anbau von Erdbeeren unter hohen Schutzabdeckungen hat NRW einen Anteil von fast 50 Prozent der Fläche. So kann die Ernte von Erd- und Himbeeren vorgezogen, aber auch verlängert werden. Wegen der Steuerung werden die zarten Früchte besser vermarktet - in den Randzeiten bis nach Österreich, Großbritannien und Skandinavien.

Wilhelm Bonnacker baut auch Spargel, Erdbeeren und Weihnachtsbäume an. Vor sechs Jahren sind Sommer- und Herbsthimbeeren dazugekommen.
Je nach Sorte und Wetter werden je Hektar zwischen 10 und 30 Tonnen der empfindlichen Früchte geerntet. Etwa 450 Kilogramm zupfen die Erntehelfer jetzt täglich. Auf eigene Faust kann der Landwirt diese Masse nicht vermarkten. Großhändler sind seine Partner.

Gegen 7 Uhr vereinbart der 45-Jährige am Morgen die Abnahmemengen des Tages, dann gehen die Pflücker in die Spur, und ab 17 Uhr rollen die Lastwagen auf den Hof, um palettenweise die Kisten mit den schon in Schälchen liegenden Himbeeren und Erdbeeren abzuholen.

Der Familienhof von Wilhelm Bonnacker liegt dicht vor den Toren der niederländischen Großstadt Venlo. Kein Wunder, dass die Beziehungen zum Nachbarland eng sind. Alle zwei Wochen kommt ein holländischer Berater und coacht den Betrieb. Ein Teil der Himbeeren wird, schon in speziellen Schälchen, zu einem Großhändler ins Nachbarland geliefert. Und in welchen Regalen werden die aromatischen Früchte dann tags darauf stehen? Bonnacker weiß es nicht. "Vielleicht Russland?", rätselt er - das Nachbarland ist ja eine Händlernation.

(lnw)
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