Nettetal Drehscheibe der Neuigkeiten

Nettetal · Hinter der Theke ihrer Gaststätte "Zur Mühle" an der Kölner Straße in Kaldenkirchen erfährt Christel Schöck, was im Ort passiert. Manche ihrer Stammkunden waren schon bei ihrer Mutter und ihrer Großmutter zu Gast.

Die alte Mühle ragt majestätisch hinter dem Haus auf. Sie hat keine Flügel mehr, und Mehl wird längst woanders gemahlen. Doch der Name ist geblieben. "Zur Mühle" heißt die Gaststätte vor der Mühle seit Generationen. "Meine Oma hat die Wirtschaft 1929 übernommen. Wie alt das Haus wirklich ist, wissen wir nicht. In einer Zeitungsanzeige von 1863 ist der Saal bereits erwähnt. Damals hieß es noch ,Zur Windmühle'", berichtet Christel Schöck. Sie führt die Gaststätte in der dritten Generation.

"Meine Mutter hat das Haus 1962 von ihrer Mutter übernommen, und nach meiner Schulzeit bin ich 1964 eingestiegen." Einen anderen Weg einzuschlagen, kam für Christel Schöck nicht in Frage. Der Kontakt mit den Menschen hat sie immer gereizt. "Wir lachen viel – vor und hinter der Theke. Das Fernsehprogramm vermisse ich nie, das habe ich hier alles direkt aus dem Leben", sagt die Wirtin. Sie kennt ihre Stammkunden seit Jahrzehnten und ist immer auf dem Laufenden, was im Ort so passiert.

Geburten, Todesfälle oder Hochzeiten, diese Neuigkeiten gehen in der Mühle täglich über die Theke. "Einige der treuesten Kunden waren schon bei meiner Mutter oder sogar schon bei meiner Großmutter zu Gast", sagt Christel Schöck. Sie ist stolz auf die Familientradition. Auch wenn sich die Kneipenkultur im Laufe der Zeit verändert hat. "Vor allem die Früh- und die Dämmerschoppen sind nicht mehr das, was sie mal waren." Früher hat Christel Schöck am Sonntag mit drei Kellnern bedient, heute schafft sie das spielend alleine. Nach der Messe kamen in den 60er und 70er Jahren die Männer aus dem Ort, um sich auszutauschen, Karten zu spielen und Bier zu trinken. "Das zog sich oft bis in den Nachmittag hin. Die jungen Leute machen das nicht mehr. Deren Frauen würden ihnen was anderes erzählen", sagt Christel Schöck lachend. Sie lebt in erster Linie von den Vereinen, die hier ihr "Zuhause" haben, Feste feiern und ihre Kegelbahn nutzen. Der Saal ist unverzichtbarer Bestandteil des öffentlichen Lebens im Ort. Nur am Dienstag ist Ruhetag. "Das ist mein Sonntag", sagt die Wirtin. Richtig ausschlafen kann sie aber auch dann nicht. Buchhaltung, Bestellungen und Besorgungen warten auf sie. "Man muss in diesem Geschäft ein Nachtmensch sein und mit wenig Schlaf auskommen. Manchmal fallen mir trotzdem hinter der Theke die Augen zu." Meist ist es Mitternacht oder später, bis die 60-Jährige zusperren kann, und am nächsten Morgen klingelt um 7.30 Uhr schon wieder der Wecker. "Ich muss ja alles sauber machen. Wenn die Kegler am Nachmittag kommen, soll alles fertig sein."

Wie lange sie noch Bier zapfen wird, weiß Christel Schöck noch nicht. Ihre Entscheidung wird sie wohl auch davon abhängig machen, ob sie das Gasthaus an die nächste Generation übergeben kann. "Ob einer meiner beiden Söhne das hier weiterführt, ist ungewiss. Der eine hat einen interessanten Beruf, der andere führt das Hotel." Das liegt gleich hinter dem Haus und neben der alten Mühle.

(RP)
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