Historisches Ereignis Doppelselbstmord in Kaldenkirchen

Kaldenkirchen · Im Sommer 1918 erschossen sich die George-Jünger Adalbert Cohrs und Bernhard Graf von Uxkull-Gyllenband

 Die George-Jünger Adalbert Cohrs (l.), geboren am 22. April 1897, und Bernhard Graf von Uxkull Gyllenband, geboren am 8. September 1899, töteten sich am 28. Juli 1918 selbst.

Die George-Jünger Adalbert Cohrs (l.), geboren am 22. April 1897, und Bernhard Graf von Uxkull Gyllenband, geboren am 8. September 1899, töteten sich am 28. Juli 1918 selbst.

Foto: Kreisarchiv Viersen

Vor einigen Wochen wurde deutschlandweit des 150. Geburtstags des Lyrikers Stefan George gedacht. Die Feuilleton-Spalten der Zeitungen berichteten über diese literatur- und geistesgeschichtlich herausragende, freilich auch nicht völlig unumstrittene Gestalt, die viele zeitgenössische Intellektuelle in ihren Bann zog.

Ein wichtiges Detail seines Lebens spielte sich um den Monatswechsel Juli/August 1918 unmittelbar an der Grenze zu den Niederlanden ab: In Kaldenkirchen erschossen sich zwei junge Männer aus seinem engsten Umfeld bei dem gescheiterten Versuch, nach Holland zu desertieren. Was war geschehen? Die beiden George-Jünger – so bezeichneten sie sich selbst – Bernhard Graf von Uxkull-Gyllenband und Adalbert Cohrs hatten den Beschluss gefasst, in die neutralen Niederlande zu fliehen. Der junge Graf war Fahnenjunker, Cohrs, Sohn eines bekannten Lutherforschers, war Leutnant.

In Berlin hatten sie sich bei einem aus Lobberich stammenden Soldaten nach einem Fluchtweg über die Grenze erkundigt und waren an einen als Schmuggler bekannten Lobbericher verwiesen worden, der ihnen den Weg zeigen würde. Dem war die Sache freilich nicht geheuer, er meldete es der Ortspolizeibehörde und das Schicksal nahm seinen Lauf. Bei der Vernehmung in der kaiserlichen Kaserne an der Poststraße in Kaldenkirchen erschossen sich beide in zwei voneinander getrennten Räumen. Graf Uxkull war auf der Stelle tot, Leutnant Cohrs starb einen Tag später im Krankenhaus. Auf dem evangelischen Friedhof in Kaldenkirchen, auf dem noch heute ein Gedenkstein an sie erinnert, wurden sie beigesetzt.

Den Pistolenschüssen vom 28. Juli folgten hektische Nachforschungen, die sich bis weit in den August hinzogen. Der noch nicht 19-jährige Graf Uxkull, ein Verwandter des Hitler-Attentäters Claus Graf Schenk von Stauffenberg (Stauffenbergs Mutter war eine geborene Uxkull) und geboren auf Schloss Wallwitz, Kreis Guben, galt im George-Freundeskreis als hoffnungsvoller junger Dichter, dessen Gedichte Stefan George in den „Blättern für die Kunst“ herausgab.

Nicht nur die Brüder Claus und Berthold von Stauffenberg standen mit George in Verbindung, auch Hugo von Hofmannsthal und viele andere, auf die er eine ganz einzigartige Faszination ausübte. Aber dem jungen Offiziersanwärter Uxkull stand der Dichter offenbar besonders nahe. Nichts könnte dies nachdrücklicher belegen als jenes Gedicht, das Stefan George 1918 in Königstein im Taunus unter dem Eindruck der Todesnachricht aus Kaldenkirchen schrieb und das Aufnahme in die Gedichtsammlung Echtermeyer/von Wiese fand, die an unzähligen Gymnasien die Gedicht-Anthologie schlechthin war:

Du schlank und rein wie eine flamme, Du wie der morgen zart und licht, Du blühend reis von edlem stamme, Du wie ein quell geheim und schlicht

Begleitest mich auf sonnigen matten, Umschauerst mich im abendrauch, Erleuchtest meinen weg im schatten, Du kühler wind du heisser hauch

Du bist mein wunsch und mein gedanke, Ich atme dich mit jeder luft, Ich schlürfe dich mit jedem tranke,Ich küsse dich mit jedem duft

Du blühend reis von edlem stamme, Du wie ein quell geheim und schlicht, Du schlank und rein wie eine flamme, Du wie der morgen zart und licht.

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