Nettetal Docht ist nicht gleich Docht

Nettetal · Dass eine Osterkerze viele Stunden lang brennt, ist für die meisten ganz selbstverständlich. Wie viele Arbeitsschritte hinter der Dochtherstellung stecken, weiß jedoch kaum jemand. Ein Besuch in einer Docht-Fabrik.

 In der Flechterei werden aus den einzelnen Garnen in Hochgeschwindigkeit die Dochte geflochten. Diese müssen danach noch durch ein Salzbad. Erst dann sind die Dochte versandfertig.

In der Flechterei werden aus den einzelnen Garnen in Hochgeschwindigkeit die Dochte geflochten. Diese müssen danach noch durch ein Salzbad. Erst dann sind die Dochte versandfertig.

Foto: Busch

Jeder, der schon mal eine Ostermesse besucht hat, kennt den Osterkerzen-Brauch. Die vielen brennenden Kerzen in der Kirche ergeben ein stimmungsvolles Bild, die Flamme erinnert an die Auferstehung Jesu Christi.

Kaum einer wird sich in dieser Situation Gedanken darüber machen, warum die Kerze in seiner Hand eigentlich so lange brennt und, dass der Docht in der Kerze ganz genau zum Wachs passen muss.

Stefan Bauer war das bis vor zwölf Jahren auch nicht bewusst. "Als ich hier angefangen habe, war ich wirklich überrascht, dass es so viele verschiedene Dochtarten gibt", erzählt der Manager von "Heinz Jansen Technische Geflechte" in Kaldenkirchen. Genau genommen stellt seine Firma rund 1000 verschiedene Dochtarten her. Knapp 200 Tonnen Dochte laufen in Nettetal jedes Jahr vom Band. Würde man all die Dochte hintereinander reihen, ergäbe sich eine Strecke von rund 300 000 Kilometern — damit schafft man es rund 7, 5 mal um die Erde.

Flechten in Sekundenschnelle

Das, was dafür jede Woche aus Indien, Pakistan und Syrien bei Jansen angeliefert wird, sieht zunächst nach Waren für eine Textilfabrik aus: Große Spulen mit Baumwollgarn türmen sich in den Lagerräumen.

Einen Raum weiter wird es laut. Hier wird das Garn von den großen Spulen auf kleinere grüne Spulen aufgezogen, die dann in der großen Dochtflechterei verwendet werden. Dort läuft alles so schnell, dass man es mit bloßem Auge kaum erfassen kann. Hunderte kleine Spulen-Karussells drehen sich in der Halle und flechten die Garne zu Geflechten zusammen. "Insgesamt stellen wir rund 200 verschiedene Garngeflechte her", erzählt Bauer. Es gibt dünne Geflechte, dicke Geflechte, mittlere Geflechte, manche Geflechte bestehen neben den Baumwollgarnen zum Teil auch aus Papiergarn, das die Standfestigkeit des Dochts erhöht.

Doch wie kommt Stefan Bauer dann auf rund 1000 verschiedene Dochtarten? "Das liegt an der Präparation", sagt der Manager und meint damit das Salzbad, in das die Geflechte zum Schluss getunkt werden. Das ist nötig, um die Stabilität des Dochts zu erhöhen und ihn gegen die Säuren im Wachs beständig zu machen.

Die verschiedenen Geflechte werden also in verschiedenen Salzlaugen gebadet, so dass sich schließlich rund 1000 verschiedene fertige Docht-Kombinationen ergeben. Die heißen dann "ZG 30" oder "PSK 19" und werden kartonweise an Kerzenhersteller auf der ganzen Welt verschickt.

Herauszufinden, welcher Docht optimal zu welcher Wachszusammensetzung passt, ist der Job von Stefanie Schrömges. Sie arbeitet im Labor der Firma. Ihr Computer steht neben einem gläsernen Schrein, in dem den ganzen Tag Kerzen brennen. Der Raum riecht, als hätte man ein Duftkerzenlager angezündet. "Ich helfe den Kerzenherstellern, den optimalen Docht für ihre Kerzen zu finden", erzählt Schrömges. Sie misst die Brenndauer, überprüft die Flammentemperatur und die Krümmung des Dochts.

Oft dauert es lange, bis der richtige Docht gefunden ist, die Kerzen werden immer wieder hin -und hergeschickt, bis der Kunde zufrieden ist. Einen ersten Anhaltspunkt bietet indes der "Dochtkonfigurator" auf der Internetseite der Firma: Hier können die Hersteller den Kerzentyp, den Durchmesser und die Zusammensetzung der Brennmasse eingeben. Der Konfigurator spuckt dann aus, welcher Docht gut dazu passen würde.

(RP)
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