Nettetal Die unendliche Präzision der Stahlskulptur

Nettetal · Günther Zins stellt in der Werner-Jaeger-Halle in Lobberich seine Skulpturen und Fotos aus.Der in Kleve lebende Künstler arbeitet bevorzugt mit schlanken Edelstahlstäben

Noch ehe der Ausstellungsbesucher die Werner-Jaeger- Halle betreten hat, kann er einen ersten Eindruck von den Arbeiten des Künstlers Günther Zins gewinnen. Über dem beleuchteten Dach zur Straße hin scheint eine Arbeit aus schlanken Edelstahlstäben zu schweben und thematisiert in höchster Präzision Linie, Winkel, Fläche und Kubus. Charakteristisch für den Künstler ist die minimalistische Zurücknahme in Material und Formensprache sowie der Umgang mit dem realen und scheinbaren Raum.

Im Foyer entfaltet Zins die Facetten seiner Kunst, die auf faszinierende Weise immer auch mit der Wahrnehmung spielt. Dabei kann die Wirkung aus der Distanz eine ganz andere sein als vom nahe gelegenen Blickpunkt aus.

Glaubt der Betrachter etwa beim Wandwürfel an der Rückseite des Foyers einen gleichmäßigen Kubus zu sehen, so scheint mit dem Nähertreten die obere Fläche einzuknicken. Denn eine Kante wächst nicht, wie aus der Ferne zunächst erwartet, in den Raum, sondern liegt flach auf. So filigran das Linienspiel der Stäbe auch sein mag, immer assoziieren sie im Verbund dreidimensionale Volumina und Räumlichkeit.

Kunsthistorikerin Sigrid Blomen-Radermacher erklärte in anschaulichen Gegensatzpaaren ihren Bezug zur Besonderheit von Zins' Objekten: "Ich fühle mich durchdrungen von Kunst. Durchdrungen von den schwerelosen, aber dabei doch stabilen, von den masselosen, aber dabei ausgesprochen präsenten Plastiken von Günther Zins. Mühelos bahnen sich diese ihren Weg durch Beton und Holz, scheinen sich, wo immer es gewünscht wird, geschmeidig in den Boden, die Wand, die Decke bohren zu können."

Der Künstler spielt mit der Illusion. Beispielhaft dafür ist etwa die fünfteilige Gruppe "Versinkender Quader" in der oberen Etage. Verblüffend assoziiert die Folge die Augentäuschung, als versänke ein anfänglich in sich ruhender Quader Stück für Stück in einen nachgebenden Grund.

In Fotos hat der Künstler einige seiner Plastiken geradezu traumwandlerisch an prominente Orte versetzt. Beim "Gigantischen Traumobjekt" scheint ein durchscheinender Quader auf den Spitzen der Dolomiten zu ruhen. Beispiele geworfener Plastiken sind in Fotoserien eingefangen. Dort agiert der Künstler, während Schwerkraft und Zufall mitspielen.

Die Folgen zeigen Zins, wie er die Edelstahlstäbe in der Hand gebündelt hat und dann im Wurf freigibt. Tatsächlich formieren sich diese für einen Augenblick zu geometrischen Figuren, ehe sie zu Boden fallen. Die Aktionen dauern zwei Sekunden, sind aber in Langzeitbelichtung in mehrteiligen C-Prints dokumentiert. Diese geworfenen Plastiken beziehen den Zufall ein und sind damit das genaue Gegenstück zu den geplanten und gebauten, die im erweiterten Sinn zu konkreten Plastiken verschweißt sind.

Charakteristisch für die geplanten Objekte ist die Präzision der Liniengefüge. Das Schattenspiel an der Wand tut ein Übriges, um die Illusion zu vervollständigen und die Wahrnehmung herauszufordern. Zins sagt über sein Schaffen: Die treibende Kraft sei für ihn das Interesse an linearen Strukturen und Raum.

(anw)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort