Gaststätten in Kaldenkirchen Die Kneipe als Sozialfaktor fehlt

Kaldenkirchen · Obwohl die Gaststätten weiterhin geschlossen bleiben, reagieren Wirte und Gäste der Kaldenkirchener Kneipenszene mit Verständnis für die Maßnahme. Doch die diskutierten Lockerungen bringen den Kneipen nichts.

 So sah es vor gut einem Jahr im Quartier Latin aus. In der Corona-Krise sind die Kneipen in Kaldenkirchen bisher geschlossen.

So sah es vor gut einem Jahr im Quartier Latin aus. In der Corona-Krise sind die Kneipen in Kaldenkirchen bisher geschlossen.

Foto: Knappe, Joerg (jkn)

Es ist wieder ein bisschen Leben in der Fußgängerzone, seit die Geschäfte wieder öffnen dürfen. Nur abends, da herrscht in Kaldenkirchen tote Hose, weil seit Beginn der Corona-Beschränkungen Gaststätten geschlossen bleiben. Restaurants versuchen, mit Essensauslieferungen die Einnahmeverluste abzumildern. Die Kneipen indes, die bleiben gänzlich dicht, die Szene liegt brach, kein frisch gezapftes Bier an der Theke, keine Live-Musik. Wirte und Gäste reagieren mit Bedauern, aber auch mit Verständnis.

Dass möglicherweise Gaststätten ab Mai eingeschränkt wieder öffnen sollen, ist für Gerd Inderelst vom Tach kein Thema: „Offiziell haben wir noch keine Infos, weder vom Gastro- und Brauereiverband noch von der Stadt oder von Behörden.“ Einen Kneipenbetrieb mit zwei Metern Abstand zwischen den Gästen kann er sich nicht vorstellen: „Wir haben das im Tach mal ausprobiert, Tische und Stehtische auseinandergeschoben, die Plätze an der Theke mit Abstand, das sieht unmöglich aus, ein Unding!“

Auch den vier Wirten vom Quartier Latin liegen laut Patrick Dors bislang keine Informationen über mögliche Öffnungen mit Einschränkungen vor: „Das bringt auch gar nichts, man geht ja nicht in die Kneipe, um zwei Meter weit auseinanderzustehen, sondern um zu klängern und zu klönen.“

Auch die Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie nur für Speisen von 19 auf sieben Prozent bringt den Kneipiers nichts, so Inderelst, man lebe schließlich vom Getränkeverkauf. Bevor man nicht wirklich die Corona-Krise in den Griff bekommen habe und die Infektionszahlen deutlich dauerhaft gesunken seien, meint Inderelst, rechne er nicht mit der Wiederöffnung der Kneipen.

 „Anders als im Einzelhandel wären Maßnahmen wie Abstand halten oder Masken tragen in der Kneipe nicht umsetzbar, darum finde ich die pandemiebedingte Betriebsunterbrechung in Ordnung“, sagt Gerd Inderelst. Natürlich schmerzen den Tach-Wirt die Einnahmeverluste: „Kein Ausschank, keine Konzerte, keine Jam-Session, keine Saalvermietung!“ Mehr noch aber fehle ihm das Miteinander: „Die Kneipe als Treffpunkt, das vermisse ich, und so reagieren auch viele Stammgäste.“

Mit manchen seiner Gäste sei er online in Kontakt, erzählt Inderelst, ihnen fehle die Begegnung, die Plauderei, das leckere Bierchen: „Aber die Maske, mit der man bequem ein frisch Gezapftes mit Schaum trinken kann, gibt es nicht.“  Als Optikermeister beteibt er seine Kneipe nicht hauptberuflich. Geschlossen sind auch die anderen Kneipen, so die Bar Club Napoleon ein paar Schritte neben dem Tach, die Gaststätte Stadt Venlo am anderen Ende der Fußgängerzone.  In der City ist, obwohl nicht offen, die Musik- und Cocktailbar Kama’s Island zumindest online aktiv, postet Fotos und Videos auf Facebook, bleibt so mit der Stammkundschaft in Kontakt.

„Gemäß Verordnung der Landesregierung vorübergehend geschlossen“, heißt es auf einem Infoblatt am Quartier Latin. „Die Kneipe ist halt zu, das Festival SpringJam ist ausgefallen, wir posten schon mal Fotos und Videos auf Facebook“, erzählt Patrick Dors, einer der vier Wirte. „Wir vermissen euch, haltet durch und bleibt gesund“, wünscht man auf Facebook seinen Gästen. Die Reaktionen der Gäste reichen von „Was für ein doofes Jahr!“ bis zu „Schade, aber unter den Umständen die richtige Entscheidung“.

Trotz treuer Stammgäste, die den Betreibern Mut zusprechen, ist es für die Wirte eine harte Zeit: „Stromkosten, Gema-Gebühren, alles läuft weiter, dabei fehlen die Einnahmen, vor allem das ausgefallene SpringJam fällt ins Gewicht“, klagt Dors, schränkt aber ein: „Wir haben alle einen Beruf, betreiben die Kneipe nebenbei, zumindest bis jetzt können wir das noch durchstehen.“

 Tach-Wirt Gerd Inderelst ist im Hauptberuf Optiker.

Tach-Wirt Gerd Inderelst ist im Hauptberuf Optiker.

Foto: Joachim Burghardt
 Am Fenster des „Quartier Latin“ in Kaldenkirchen weist ein Schild auf die vorübergehende Schließung hin.

Am Fenster des „Quartier Latin“ in Kaldenkirchen weist ein Schild auf die vorübergehende Schließung hin.

Foto: Joachim Burghardt

Kein Wehklagen also, eher ein bisschen Wehmut in der Kaldenkirchener Kneipenszene: „Ich vermisse unsern Stammtisch“, meint ein pensionierter Lehrer. Austausch mit Freunden, Diskussionen in netter Atmosphäre gehören für ihn und viele andere zum kulturellen Leben. So sieht das auch Tach-Wirt Inderelst, der versucht, der Misere noch etwas Gutes abzugewinnen: „Ich hoffe, dass die Kneipe, weil sie zurzeit als Treffpunkt fehlt, wieder mehr als Sozialfaktor ins Bewusstsein rückt und viele nach der Corona-Krise wieder in die Kneipe kommen.“

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