Verfahren wird neu verhandelt Scherenattacke: Strafe wird neu verhandelt

Nettetal/Krefeld · Das Landgericht Krefeld verurteilte Djamal B. im Mai 2017 zu fünf Jahren Haft. Der Flüchtling hatte mit der Schere mehrfach auf einen anderen Mann eingestochen. Der Bundesgerichtshof sprach eine Verfahrensrüge aus

 Der Angeklagte hatte im Nettetaler Krankenhaus auf seinen Bekannten eingestochen.

Der Angeklagte hatte im Nettetaler Krankenhaus auf seinen Bekannten eingestochen.

Foto: Busch, Franz-Heinrich sen. (bsen)

Der Fall des in Nettetal lebenden algerischen Flüchtlings Djamal B. kommt erneut vor Gericht. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat den Strafausspruch aufgehoben. Damit bleibt zwar der Schuldspruch wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung bestehen – aber die Höhe der Strafe wird neu verhandelt. Das Landgericht Krefeld hatte B. im Mai 2017 zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

Der damals 31-Jährige hatte im August 2016 im Nettetaler Krankenhaus mehrfach auf einen damals 30-jährigen Flüchtling aus Marokko eingestochen. Vor Gericht hatte B. gestanden, den Mann – einen Bekannten – mit einer Schere verletzt zu haben. Weil die Strafkammer des Krefelder Landgerichts allerdings Beweisanträge der Verteidigerin zur geistigen Verfassung des Angeklagten laut BGH fehlerhaft abgelehnt hatte, wird der Fall am Donnerstag, 9. August, erneut verhandelt. Der Angeklagte hatte Revision eingelegt.

In der Hauptverhandlung hatte B.s Verteidigerin beantragt, ein psychiatrisches Sachverständigen-Gutachten einzuholen. Sie argumentierte, der Angeklagte habe aufgrund seiner Gewalt- und Angsterfahrungen in der Heimat sowie auf dem Weg von Algerien nach Deutschland zum Tatzeitpunkt an einer akuten Belastungsstörung gelitten – was eine erhebliche Verminderung seiner Schuldfähigkeit nicht ausschließe. Er habe panische Angst vor einem lebensgefährlichen Angriff auf sich entwickelt, als das spätere Opfer mit den Händen in der Hosentasche auf dem Krankenhausflur auf ihn zu kam. Dadurch sei es zu einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung in Form eines Affektsturms gekommen. Die Strafkammer lehnte den Antrag ab mit der Begründung, dass es an den erforderlichen Anknüpfungstatsachen fehle. Diese Erwägungen hat die Kammer laut BGH damals aufgrund eigener Sachkunde angestellt – allerdings nicht belegt, dass sie darüber verfügt. Darum sprach der BGH eine Verfahrensrüge aus.

Unstrittig ist der Tathergang: An jenem Tag im August 2016 stach B. im Nettetaler Krankenhaus mehrfach mit einer 20 Zentimeter langen Schere auf einen Besucher der Klinik ein. Der Angeklagte war dort, um Schnittwunden behandeln zu lassen, die das spätere Opfer ihm zuvor bei einem Streit beigebracht haben soll. Der Marokkaner war in die Klinik gekommen, um sein Handy bei dem Angeklagten abzuholen. Der nahm eine Schere aus einem Behandlungszimmer, versteckte sie unter seiner Jacke und stach zu. Das habe er aus Angst vor einem weiteren Angriff getan, sagte der Angeklagte vor Gericht aus. Bei der Tat habe es sich um Notwehr gehandelt.

Die Beweisaufnahme bestätigte das laut Strafkammer allerdings nicht. Ärzte und Pfleger gaben an, keine Drohgebärden des späteren Opfers gesehen zu haben. Die Aufzeichnung der Überwachungskamera zeigte, dass der Mann recht gelassen und mit Händen in den Hosentaschen wartete. Ein Grund für Notwehr sei nicht ersichtlich.

Das Motiv war Rache, folgerte der Staatsanwalt. B. habe heimtückisch und in Tötungsabsicht auf den anderen eingestochen, um eine frühere Auseinandersetzung zu vergelten. Nur wenige Stunden zuvor hatten sich die beiden Asylbewerber vor einer Flüchtlingsunterkunft in Nettetal getroffen und gestritten. Auf beiden Seiten soll es zu Handgreiflichkeiten gekommen sein. Dabei hatte der Jüngere sein Handy verloren, das er sich im Krankenhaus zurückholen wollte.

Sowohl die Schwurgerichtskammer als auch der Staatsanwalt nannten Heimtücke als Mordmerkmal. B. habe die Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers ausgenutzt. Der Bekannte habe das Krankenhaus als einen geschützten Raum empfunden und keinen Angriff erwartet. Trotz mehrerer Stiche gegen Hals und Kopf habe keine Lebensgefahr bestanden, hatten Ärzte ausgesagt. Die Strafkammer berücksichtigte mit dem Urteil die Vorgeschichte. Außerdem habe es sich um eine recht spontane Tat gehandelt. Ursprünglich hatte die Anklage auf versuchten Totschlag gelautet. Erst während der Beweisaufnahme erging der Hinweis, dass auch eine Verurteilung wegen versuchten Mordes in Betracht kommt.

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