Nettetal Die Gentlemen mit dem Spleen

Nettetal · Seit 20 Jahren pflegen die "Friends of British Royalty - German Section" in der Hinsbecker Stammenmühle britische Gesprächskultur. Anfangs beargwöhnt, haben sie sogar offiziell die Erlaubnis zum Hissen der britischen Flagge.

 Tiefenentspannte "Friends of British Royalty" vor der Hinsbecker Stammenmühle, ihrem Clubsitz: Bastian Rütten (l.) und Bernhard Zanders.

Tiefenentspannte "Friends of British Royalty" vor der Hinsbecker Stammenmühle, ihrem Clubsitz: Bastian Rütten (l.) und Bernhard Zanders.

Foto: Burghardt

Well, die Gentlemen geben sich die Ehre: Acht Herren in dunklen Anzügen, ohne Schirm, aber mit Schärpe und Melone, stehen einer Zweierreihe. Sie bilden Spalier vor dem Bildnis von Königin Elisabeth II. "Gentlemen, the Queen!", sagt Laird Bernhard feierlich. Sie erheben ihre Gläser, gefüllt mit edlem Whiskey, prosten der Königin zu und genehmigen sich ihr zu Ehren einen Schluck. "Mit dieser Zeremonie beginnen wir unsere Clubabende" erzählt der Laird, bekannter als Bernhard Zanders, Hausherr der Hinsbecker Stammenmühle. Dort haben die "Friends of British Royalty" seit 20 Jahren ihren Sitz.

Allesamt sind sie gestandene Herren von Mitte 30 bis Ende 70. Sie gehen bürgerlichen Berufen nach, sind Theologe oder Landwirt. Nur montagabends, alle zwei Wochen, da zieht's sie hinauf in eine andere Welt. Dann sitzen sie hoch oben über Nettetal in einem runden Raum, an den Wänden Flaggen und Bilder von königlichen Herrschaften. In der Ecke in Kartons ruhen ihre Melonen, Pardon: Bowler. Sie Frönen in gepflegter Kleidung der niveauvollen Unterhaltung, genießen Whiskey oder Tabak. Und nehmen in Kauf, dass Außenstehende verwundert den Köpfe schütteln.

"Manche sagen, ihr habt einen Spleen", schmunzelt Bastian Rütten, alias Laird Bastian. Der Lobbericher lehnt sich zurück, zieht an seiner Pfeife und stellt klar: "Also, wir sind kein Fan-Club der Queen oder sowas." Nein, im Club der Acht haben sie Anderes im Sinn: "Uns gefällt die traditionelle britische Kultur, wie sie in Clubs gepflegt wird."

Sie wissen wohl, dass in britischen Clubs mintunter abenteuerliche Ideen ausgeheckt werden. Phileas Fogg etwa wettete dereinst, er könne "In 80 Tagen um die Welt" reisen, wie Jules Verne in seinem berühmten Roman beschreibt. "Bei jedem seiner Abenteuer sagte er immer: 'Wenn ich das in meinem Club erzähle', das hat mich von jeher fasziniert", gibt Laird Bernhard zu.

Er gab den Anstoß zur Club-Gründung. Der Geigenbauer hatte die Stammenmühle wieder hergerichtet, "die eine gewisse geschichtliche Bedeutung hat im Zusammenhang mit dem Königshaus". Im heutigen Clubraum, war nach dem Zweiten Weltkrieg eine Relaisstation eingerichtet, damit die britischen Soldaten in Deutschland Fernsehbilder von der Krönung der Queen empfangen konnten.

Fernsehstrahlen gehen nicht mehr aus von der Mühle, stattdessen verbreiten von hier die Lairds ihre Idee, "die britische Kultur" in Deutschland zu etablieren. Zum Geburtstag der Queen am 21. April ziehen sie mit Dudelsackmusik durch Hinsbeck, anfangs allein und laut Zanders "durch Gardinen argwöhnisch beobachtet", mittlerweile mit großem Medienspektakel. Denn spätestens, seit ihnen offiziell das Britische Generalkonsulat die "Erlaubnis, die britische Flagge zu hissen", verbriefte und sie bei Besuchen im Königreich eine gewisse Bekanntheit erlangten, sind sie gefragte Gesprächspartner selbst bei Fernsehsendern in Sachen Königshaus.

Zudem sind sie echte Lairds, der Titel kommt gleich nach dem Lord und setzt Landbesitz in Großbritannien voraus. Tatsächlich erwarb jeder der Friends ein Stückchen Land in einem schottischen Hochmoor - Ökofonds zur Pflege des Naturschutzgebietes. "Ökologie gehört zu unseren Gesprächsthemen, aber auch Theologie oder Politik", verrät Rütten. Die Clubabende drehen sich um Gott und die Welt. "Frauen oder Fußball sind tabu." Man vermeidet "emotionsgeladene Diskussionsstoffe", versichert Laird Bastian nachdrücklich.

Gesittet soll es eben zugehen in der Stammenmühle, aber durchaus mit Humor, mit "britischem Humor, selbstredend", unterkühlt und ironisch. Als Abwechslung und Ausgleich zum hektischen Alltag. Daran hat auch die Queen ihren Spaß: Eine kleine solarbetriebene königliche Figur auf der Fensterbank im Clubraum wackelt, genug Licht vorausgesetzt, fröhlich vor sich hin. Als freue sie sich über den Trinkspruch: "Gentlemen, the Queen!"

(jobu)
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