Nettetal Die Frau, die Streitigkeiten ausräumt

Nettetal · Gertrud Pot d'Or-Schneiders kennt viele Formen von Auseinandersetzungen — ob zwischen Ehepartnern oder Nachbarn. Die Schiedsfrau versucht, bei einer gütlichen Einigung zu helfen. Dabei ist ihr Wohnzimmer ganz wichtig

 Gertrud Pot d'Or-Schneiders ist seit 20 Jahren Schiedsfrau. Die Kontrahenten treffen sich in ihrem Wohnzimmer.

Gertrud Pot d'Or-Schneiders ist seit 20 Jahren Schiedsfrau. Die Kontrahenten treffen sich in ihrem Wohnzimmer.

Foto: jobu

Was macht eigentlich eine Schiedsfrau? Gertrud Pot d'Or-Schneiders kennt den klassischen Gartenzaun-Streit: "Das war ein typischer Streit zwischen Nachbarn, weil vom Baum auf dem Grundstück des einen das ganze Laub auf die Kellertreppe des anderen fiel", erzählt die 77-Jährige. Solche Streitigkeiten unter Nachbarn beschäftigen die erfahrene Schiedsfrau immer wieder.

Ihre Aufgabe ist es dann, zu schlichten, zu vermitteln, für Recht zu sorgen - nicht nur zwischen Nachbarn, sondern auch zwischen Ehepartnern oder anderen Kontrahenten, die sich untereinander nicht einigen können. Dieses Ehrenamt als Schiedsfrau übt sie nun schon 20 Jahre lang aus.

"Ein vertrauensvoller und gerechter Umgang miteinander: Das sind Prinzipien, die mir wichtig sind - privat, aber auch früher im Berufsleben", sagt die Kaldenkirchenerin. Ihre Prinzipien setzt sie seit mehr als zwei Jahrzehnten in Ehrenämtern um: Gertrud Pot d'Or-Schneiders war zum einen als Schöffin an Gerichten in Krefeld und Kempen aktiv. Zum andern wirkt sie noch immer als Schiedsfrau für den Nettetaler Bezirk II. Dazu gehören die Stadtteile Kaldenkirchen, Leuth und Hinsbeck. Durchschnittlich zwei bis drei Streitfälle pro Woche landen auf ihrem Schreibtisch.

Wie kann man dieses Amt ausüben? Ein Schiedsmann oder eine Schiedsfrau wird für fünf Jahre vom Rat der Stadt gewählt. Die Wahl muss anschließend das Amtsgericht bestätigen, das für das Schiedswesen zuständig ist. Immer dann, wenn nach Meinung der Staatsanwaltschaft "kein öffentliches Interesse" an einer Strafverfolgung besteht, wird ein Fall an die Schiedsperson verwiesen. Das können so genannte Privatklagesachen sein, die von Körperverletzung bis Hausfriedensbruch reichen. Auch für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten ist die Schiedsperson zuständig, dazu gehören etwa Beleidigungen oder Krach zwischen Nachbarn etwa wegen eines Zauns.

"Wenn allerdings das außergerichtliche Schlichtungsverfahren nichts bringt, dann verweise ich einen Fall zurück ans Gericht", erläutert Pot d'Or-Scheiders. Wer einen Antrag auf ein Schlichtungsverfahren stellt, den lädt sie zum Gesprächstermin ins Bürgerhaus Kaldenkirchen. Dabei ist eine Gebühr in Höhe von 50 Euro zu zahlen.

Von dem Geld hat die ehrenamtliche Schiedsfrau aber nichts: "Davon bestreite ich Auslagen wie Portokosten, der Rest geht an die Stadt", sagt sie. Die Schlichtungsverhandlung selbst findet bei ihr im Wohnzimmer statt.

Pot d'Or-Schneiders spricht leise und bedächtig. Man ist gezwungen, ihr konzentriert zuzuhören. Sie lächelt immer wieder verständnisvoll. Kaum vorstellbar, dass bei ihrer ruhigen Art ein handfester Streit aufkommen könnte. Und wenn sich die Kontrahenten nicht beherrschen können? "Dann weise ich sie mit Nachdruck zurecht. Krach gibt's bei mir im Wohnzimmer nicht", stellt sie klar - und lächelt wieder.

Mit ihren 77 Jahren hat sie eigentlich die Altersgrenze für eine Schiedsperson überschritten. "Aber man hat mich gefragt, ob ich mich noch mal wählen lasse", sagt sie. Denn sie hat eine Erfolgsquote aufzuweisen: "In rund 80 Prozent meiner Fälle kommt es zu einer Einigung." Für das 20-jährige ehrenamtliche Engagement und ihre Verdienste wollen Stadt und Amtsgericht die Schiedsfrau "in einer kleinen Feierstunde würdigen", kündigte man jetzt im Rathaus an.

Trotz ihrer Erfahrung und Routine bleibt Pot d'Or-Schneiders nicht unberührt von manchem Schlichtungsfall, wie sie zugibt: "Wenn zwei Männer jahrzehntelang Freunde waren und plötzlich wegen einer Nichtigkeit nicht mehr miteinander reden, sich aber nach dem Verfahren bei mir wieder in den Armen liegen, das geht mir schon nahe." Mehr über ihre Fälle erzählt sie nicht, weil zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Doch der erwähnte Nachbarschaftsstreit wegen des Laubes, das aufs Nachbargrundstück fiel, endete gütlich: "Der Baum musste zwar weg. Aber der Nachbar, der sich beschwerte, musste auch hinnehmen, dass ein neuer Baum gepflanzt wurde."

(RP)
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