Nettetal Der Lärm war weg, und keiner merkte es richtig

Nettetal · Für einen Monat sorgten Gleisbauarbeiten für die Sperrung der Bahnstrecke Viersen-Venlo. In Breyell herrschte himmlische Ruhe.

Vier Wochen war die Bahnlinie von Venlo bis Viersen gesperrt, weil Gleise erneuert wurden. Seit Montag fahren die Züge wieder. Die Vollsperrung der Bahnstrecke - so sollte man meinen - hätten die Anwohner mit Wohlwollen aufgenommen. In Wirklichkeit haben sie es jedoch kaum bemerkt.

"An den nächtlichen Lärm der Güterzüge haben wir uns doch schon gewöhnt", stellt Martina Jacobs fest, als sie gefragt wird, ob sie in den vergangenen vier Wochen etwas vermisst hat. Sie kennt seit 56 Jahren das Geräusch vorüberfahrender Züge, ob am Tag oder in der Nacht. "Die Ruhe ist mir noch gar nicht so bewusst geworden", sagt die Breyellerin nachdenklich.

Doch kann man sich an Lärm wirklich gewöhnen? Psychologen und Lärmwirkungsforscher haben festgestellt, dass Lärm das Wohlbefinden, die Leistungsfähigkeit und langfristig auch die Gesundheit des Menschen beeinträchtigt. Der Mensch sei flexibel, er könne sich an Gerüche und auch an ein lautes Umfeld gewöhnen, dazu sei Akzeptanz und ein unaufgeregter Umgang nötig, meinen andere Experten.

Auch Inge Joppen hat sich an das Quietschen der Bremsen vor allem von Güterzügen gewöhnt. "Mich regt es viel mehr auf, dass die Arbeiten an der Brücke immer noch anhalten", sagte sie mit Blick auf die Eisenbahnbrücke in Fongern. Hier existiert immer noch eine Baustelle, die nichts mit den Gleisarbeiten zu tun hat. Das ausführende Unternehmen war pleite gegangen, woraufhin die DB die Arbeiten neu ausschreiben musste. Anwohner wundern sich über die saumselige Entwicklung hier.

Nicht daran denken mag Inge Joppen, wenn die Strecke zweigleisig ausgebaut wird. "Dann wird es richtig rappeln", fürchtet sie. Experten erwarten zwar, das dann mehr Züge verkehren werden. Aber dann entfällt das Bremsen der Güterzüge bis zum Stillstand, weil sie nicht mehr dem Gegenverkehr ausweichen müssen.

Dass Geduld, Ausdauer und Gelassenheit wirklich dazu führen, den Lärm nicht mehr wahrzunehmen, führte wohl auch bei Sabine Schmitz in Bieth dazu, die Vollsperrung der Bahnlinie nicht zu bemerken. "Ich wohne schon über 24 Jahre an der Biether Straße", die Personenzüge habe sie nie gehört, höchstens die Güterzüge. Aber viel schlimmer empfindet sie die Staus, die sich an geschlossenen Schranken bilden. "Besonders seitdem die Kübel auf der gegenüberliegenden Seite als Hindernis zum Abbiegen stehen", fügt sie an. Könnten Autofahrer ungehindert nach rechts zum Schellberg, wäre die Schlange, die sich mitunter bis zur Ampel in Bieth zieht, nicht so lang und lästig. Michael Altgott hatte ein anderes Problem. Während der Vollsperrung lief sein Kiosk nicht. "Sonst kamen Bahnfahrer. Sie tranken auf die Schnelle einen Kaffee, kauften Zigaretten oder eine Zeitung", sagt er bitter. Die Sperrung habe ihm 30 Prozent weniger Umsatz eingebrockt.

Er selbst wohnt in Lobberich in einem ruhigen Wohngebiet. "Hier möchte ich nicht wohnen, manchmal klirren die Gläser im Schrank", sagt er. Geärgert hat er sich auch über die Anbringung der Schilder, die auf den "Schienenersatzverkehr" - also die Busse - hingewiesen haben. Die hingen so hoch oben am Mast, dass niemand sie entdeckte. Jetzt fährt die Bahn seit einigen Tagen wieder, und damit ist die Gewohnheit mit dem Lärm wieder eingetreten.

(ivb)
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