Auszeichnung für Nettetaler Sportverein Neue Talente gefunden – und jetzt ausgezeichnet

Nettetal · Der FC Lobberich/Dyck steht an der Tabellenspitze — er hat talentierte Spieler in einer nahegelegenen Flüchtlingsunterkunft gefunden. Für seine Integrationsarbeit ist der Verein nun in ein Bundesprogramm aufgenommen worden.

 Der FC Lobberich/Dyck ist ein Vorreiter bei der Integration von Geflüchteten. Vorsitzender Marco Esser zeigt die dazugehörige Urkunde.

Der FC Lobberich/Dyck ist ein Vorreiter bei der Integration von Geflüchteten. Vorsitzender Marco Esser zeigt die dazugehörige Urkunde.

Foto: Knappe, Joerg (jkn)

Der FC Lobberich/Dyck steht auf Tabellenplatz 1, „was schon ewig nicht mehr vorgekommen ist“, wie Vorsitzender Marco Esser begeistert berichtet. Damit ist das nächste Ziel der ersten Mannschaft derzeit ziemlich klar: „Wir sind jetzt fokussiert auf den möglichen Aufstieg“, sagt Esser. Greifbar geworden sei all das nur dank der spielerischen Unterstützung geflüchteter Menschen. Die Geschichte dazu fängt ganz unspektakulär mit einer Trainingseinheit an.

Der Rasenplatz, auf dem die Fußballer des Vereins sich fit halten und ihre Meisterschaftsspiele austragen, befindet sich in der Nähe der alten Hauptschule in Lobberich. Als immer mehr Menschen aus Krisengebieten nach Deutschland kamen und auf die Kommunen aufgeteilt wurden, wurde auch dieses Gebäude zur Unterkunft für Flüchtlinge umfunktioniert. Einige der Bewohner gründeten vor gut drei Jahren eine eigene Fußballmannschaft und wurden von Ehrenamtstrainer Andreas Koll dabei tatkräftig unterstützt. „Sie hatten immer genau vor unserer ersten Mannschaft Training“, erinnert sich Esser. „Da waren viele gute Spieler dabei, so sind wir auf sie aufmerksam geworden und haben direkt den Kontakt zu ihnen gesucht.“

Ein Freundschaftsspiel zwischen den FC’lern und der Flüchtlingsmannschaft gelang, es folgte ein zweites, daraus ergaben sich viele Gespräche. Geschäftsführer Jonas Pleuß verbrachte unzählige Nachmittage in der Unterkunft, sprach mit den Menschen, erzählt Esser. Ein Übersetzter half beim Verständnis. „Wir erklärten ihnen das System der Kreisliga C und welche Verpflichtungen damit zusammenhängen würden“, schildert der Vorsitzende. Dann wurden Nägel mit Köpfen gemacht – und die ersten Spielanträge gestellt. „Gut 25 Spieler zwischen 19 Jahren und Anfang 40 haben wir dadurch bekommen“, berichtet Esser. Genug, um für die Spielsaison 2017/18 ein zweites Team zu stellen. Zwei der besten Spieler machten direkt in der ersten Mannschaft mit, später folgten weitere. Pleuß und Esser nahmen extra an einem zweitägigen Seminar in Kempen teil. „Da erfuhren wir, wie einfach es ist, ohne Sprache und mit einfachen Gesten viele Dinge mit ihnen umzusetzen“, sagt Esser.

Zur nächsten Saison 2018/19 musste der Verein allerdings seine zweite Mannschaft wieder einstellen. „Viele der Geflüchteten wurden abgeschoben oder mussten so wieder nach Hause“, sagt Esser. „Das war ein ziemlicher Aderlass für uns.“ Die Verbliebenen aus der zweiten wurden in die erste Mannschaft gesteckt; aktuell spielen dort acht Flüchtlinge aus Eritrea, Syrien, Afghanistan, Somalia und Irak. „Es gab bis heute keinerlei Auseinandersetzungen zwischen den Spielern unterschiedlicher Nationalitäten“, berichtet Esser. Im Gegenteil würden sie sich aktiv an Vereinstätigkeiten und Feiern beteiligen. „Das ist nicht selbstverständlich“, meint Esser. Auch die bisherigen Spieler hätten die neuen gut aufgenommen. „Unsere Spieler mit Fluchthintergrund sind inzwischen fest integriert“, sagt Esser. Für weitere Wege hole eines der Teammitglieder sie sogar mit dem Auto ab. Der Verein sprang zudem mit vergünstigten Materialien für die Geflüchteten ein – wie bei allen anderen Spielern, die selbst nicht die finanziellen Mittel für ihre Ausstattung haben. „Für so etwas gibt es einen kleinen Fonds“, sagt Esser.

Für sein Engagement ist der FC Lobberich/Dyck nun ausgezeichnet worden: Der Fußballclub ist jetzt Integrationsstützpunkt. Angelika Feller, Vorsitzende des Kreissportbunds Viersen, überreichte Geschäftsführer Pleuß, dem stellvertretenden Vorsitzenden Florian Fells sowie Trainer Peter Küppers bei der Mitgliederversammlung des Stadtsportverbands Nettetal die dazugehörige Urkunde. „Darauf sind wir sehr stolz, weil wir als einziger Fußballverein im Kreis Viersen als Integrationsstützpunkt anerkannt sind und damit auch eine einmalige Vorbildfunktion in der Stadt Nettetal haben“, sagt Esser.

Die Auszeichnung für den FC Lobberich/Dyck mit seinen 201 Mitgliedern und vier Jugendmannschaften gilt für die kommenden fünf Jahre. Sie macht den FC zu einem anerkannten Stützpunktverein im Bundesprogramm „Integration durch Sport“, gefördert durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Dadurch profitieren die Fußballer auch finanziell, wie Esser berichtet: Sie können Gelder beantragen, etwa um Übungsleiter und Trainer zu bezahlen, die Jugend zu unterstützen, Bälle zu kaufen und Feiern auszurichten. „Wir wollen in Ruhe gucken, was wir bekommen können“, sagt Esser.

Beworben hatte sich der Verein für die Auszeichnung nicht. „Durch die Berichterstattung in der Presse über die beiden Freundschaftsspiele sind wir aufgefallen“, erklärt Esser. „Für uns als kleiner Verein ist das eine Supersache, wir genießen das.“

Darauf ausruhen will sich der FC Lobberich/Dyck aber nicht. „Wir suchen weitere Spieler, vielleicht sogar Verwandte und Freunde unserer Flüchtlinge“, sagt Esser. Denn gerne würde der Verein irgendwann wieder eine zweite Mannschaft stellen können.

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