Kaldenkirchen Der Modernisierer von Kaldenkirchen

Kaldenkirchen · Der Bürgerverein Kaldenkirchen lud zur Jubiläumssoirée „50 Jahre Nettetal“ ein. Im Mittelpunkt des Rückblickes auf die Entwicklung des Ortsteiles Kaldenkirchen stand der ehemalige Stadtdirektor Heinz Günter Karrenberg.

 Das Kirchendreieck in Kaldenkirchen wenige Jahre vor dem Abriss, Foto etwa um 1970. Wo sich heute die Fußgängerzone mit dem Café Noa erstreckt, quälten sich früher der Schwerlastverkehr von den und in die Niederlande durch die engen Straßen. Auch die Autobahn war noch nicht gebaut.

Das Kirchendreieck in Kaldenkirchen wenige Jahre vor dem Abriss, Foto etwa um 1970. Wo sich heute die Fußgängerzone mit dem Café Noa erstreckt, quälten sich früher der Schwerlastverkehr von den und in die Niederlande durch die engen Straßen. Auch die Autobahn war noch nicht gebaut.

Foto: Strucken, Walter (wast)

Kaum vorstellbar, was in den 1960er Jahren Alltag war: Durch die engen Innenstadtstraßen quälte sich der Schwerlastverkehr aus und in die Niederlande. Kaldenkirchen war Zollgrenzbezirk und stark am Güterverkehr mit dem Nachbarland beteiligt. Das war genau die Situation, die Heinz Günter Karrenberg erlebte, als er als junger Stadtdirektor in der Stadt Kaldenkirchen anfing.

Für eine Soirée am Samstag im Bürgerhaus hatte der Bürgerverein den ehemaligen Stadtdirektor eingeladen. Karrenberg, der vor Kurzem seinen 90. Geburtstag feierte, stand im Mittelpunkt einer Feierstunde, die 50 Jahre Stadt Nettetal aus Kaldenkirchener Sicht zum Thema machte. Er war mit seiner Frau Elisabeth und seinen drei Töchtern aus Rösrath bei Köln nach Kaldenkirchen gekommen.

Vorsitzende Elvire Kückemanns blickte auf 50 Jahre Nettetal und den Ortsteil Kaldenkirchen zurück. Nach dem Krieg herrschte in der Grenzregion bis in die 60er Jahre Stagnation. Kaldenkirchen war eine betuliche Kleinstadt, weit entfernt von Zukunftsperspektiven. Brunnengemeinschaften und ein Klo auf dem Hof waren die Regel. Die Vision einer modernen Stadt fehlte – bis Heinz Günter Karrenberg kam. 1963 wurde der erst 34-jährige Regierungsoberinspektor im Bundesinnenministerium einstimmig zum Stadtdirektor gewählt. Er trat am 1. Oktober 1963 seinen Dienst an und hat in den sechs Jahren bis zum Verlust der Selbständigkeit von Kaldenkirchen ungemein viel bewegt. Kückemanns nennt das einen Modernitätsschub. Karrenberg stellte die Stadt auf den Kopf – was manchem Politiker unbequem erschien. In den Jahren, als das Land die Zerstückelung in viele kleine, finanzschwache Kommunen zu Gunsten größerer Einheiten beenden wollte, favorisierte Karrenberg eine Zusammenlegung von Kaldenkirchen mit Bracht und Leuth. So hätte Kaldenkirchen die Führung behalten. Dass die neue Stadt Nettetal größer wurde und das Rathaus in Lobberich gebaut wurde, beschäftigt die Kaldenkirchener bis heute. Aus Kaldenkirchen wurde 4050 Nettetal 2. Zum Juniorpartner degradiert, so Kückemanns weiter, hätten sich alle benachteiligt gefühlt. Und es habe so manches konspirative Treffen in Kaldenkirchener Kneipen und Wohnzimmern gegeben. Aber es gab auch Rückschläge in der Erfolgsgeschichte Kaldenkirchens, etwa als 1993 durch den europäischen Binnenmarkt die Grenzen wegfielen und der Zollgrenzbezirk Kaldenkirchen seine Bedeutung verlor. Vorher stand der Güterbahnhof an zweiter Stelle in Deutschland.

Im Interview mit Dietmar Sagel kam dann Karrenberg selbst zu Wort. Mehrfach versagte ihm dabei die Stimme, wenn er von seinen Gefühlen übermannt wurde. An Kennedys Todestag, am 22. November 1963, gab es im Gemeinderat einen Aufstand gegen den neuen Stadtdirektor. Man war es nicht gewohnt, zu akzeptieren, was die Verwaltung vorschlug. Karrenberg hielt eine flammende Rede und konnte eine positive Wende erzielen. „Von da an hat es geklappt.“ An die Stadt richtete H. G. Karrenberg heute die Mahnung, sich nichts von der Landespolitik vormachen zu lassen.

 Bürgermeister Christian Wagner (links) und Elvire Kückemanns (2.v.l.) sowie Ronald van Zanten, Heinz Willi Schmitz und Dietmar Sagel vom Bürgerverein nehmen Heinz Günter und Elisabeth Karrenberg in die Mitte.           Foto: Jörg Knappe

Bürgermeister Christian Wagner (links) und Elvire Kückemanns (2.v.l.) sowie Ronald van Zanten, Heinz Willi Schmitz und Dietmar Sagel vom Bürgerverein nehmen Heinz Günter und Elisabeth Karrenberg in die Mitte.          Foto: Jörg Knappe

Foto: Ja/Knappe, Joerg (jkn)

Karrenbergs Tochter Christiane, die heute in Rösrath als Orthopädin arbeitet, wuchs in Kaldenkirchen auf. Sie erzählte eine herrliche Anekdote aus ihrer Kindheit: Gemeinsam spielten die Kinder auf der Baustelle des abgerissenen Kirchendreiecks. Dem Vater fiel auf, dass es zu Hause in der Garage so komisch rieche. Tochter Christiane hatte auf der Baustelle ein paar Knochen gefunden und in einer Tüte nach Hause gebracht. Das musste sie dem Pfarrer beichten. Doch der blieb ganz pragmatisch, schüttete die Tüte mit den Knochen über der Baugrube aus. Damit war der Fall erledigt.

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