Nettetal Damit Schwimmen nicht zur Gefahr wird

Nettetal · Flüchtlinge erfahren im Nettebad in Kaldenkirchen alles über Verhaltensregeln und Sicherheitsvorkehrungen. Anlass war der tödliche Unfall eines Asylbewerbers. Organisiert hat die Infoveranstaltungen der Förderverein Flüchtlingshilfe

 Schwimmmeister Sven Gerhards (l.) vom Nettebad informiert die Besuchergruppe über mögliche Gefahren, Hygienevorschriften und Verhaltensregeln in deutschen Schwimmbädern. Hayfa Kassas (l.) von der Diakonie übersetzt.

Schwimmmeister Sven Gerhards (l.) vom Nettebad informiert die Besuchergruppe über mögliche Gefahren, Hygienevorschriften und Verhaltensregeln in deutschen Schwimmbädern. Hayfa Kassas (l.) von der Diakonie übersetzt.

Foto: jobu

Warm und schwül ist die Luft. Jetzt im kühlen Nass schwimmen - das wär' was, oder? "Bloß nicht! Niemals ins Wasser gehen, ohne sich vorher kalt abzuduschen", mahnt Sven Gerhards und ergänzt: "Das könnte sonst lebensgefährlich sein." Rund ein Dutzend meist junge Männer hören dem Schwimmmeister im Nettebad zu. Einige nicken, die anderen warten, bis alles ins Arabische übersetzt wird. Denn die Flüchtlinge in Nettetal sollen und wollen alles erfahren über die Regeln in einem Schwimmbad - und zwar zu ihrer eigenen Sicherheit.

Die Besuchergruppe erregt kurz Aufsehen: Einige Schwimmer, die ruhig ihre Bahnen im Wasser gezogen haben, halten sich nun am Beckenrand fest, blicken neugierig zum Sprungbrett: Dort stehen die Männer in Hosen und Jacken, über die Schuhe blaue Hygiene-Überzieher gestreift. Was der Schwimmmeister erklärt, wiederholt Hayfa Kassas von der Diakonie für die Syrer auf Arabisch, für einige Afghanen folgt die Übersetzung in Farsi: "Das Wasser ist kälter als eure Körper, darum ist Abkühlung beim Duschen so wichtig vor dem Schwimmen."

Was passieren kann, wenn sich jemand nicht an die Regeln hält, zeigt der traurige Anlass für die Infoveranstaltung: Ein junger Asylbewerber kam im vergangenen Jahr bei einem Unfall im Nettebad ums Leben. "Dieser schreckliche Vorfall ließ mir keine Ruhe, denn die Gefahren im Schwimmbad sind noch nicht allen neuen Bewohnern unserer Stadt bewusst", sagt Ralf Schröder vom Förderverein Flüchtlingshilfe.

Und so wurde Schröder aktiv: Rücksprache mit dem Bürgermeister, Verantwortliche aus der Flüchtlingsarbeit und vom Nettebad einbeziehen, Mitfahrgelegenheiten organisieren. Dazu Kassas, die auch Vorsitzende des Integrationsrates und im Vorstand des Fördervereins Flüchtlingshilfe ist: "Zuerst haben wir Arabisch sprechende Teilnehmer der Deutschkurse in Lobberich und Kaldenkirchen eingeladen. Das Interesse ist sehr groß."

Nach der Gruppe aus Lobberich, unter ihnen auch Frauen, sind nun Neubürger aus Kaldenkirchen vor Ort - und angetan: "Gute Sache!", sagt einer kurz und knapp. Während viele Bäder in Deutschland Asylbewerber mit Comics oder Handzetteln in verschiedenen Sprachen informieren, setzt man in Kaldenkirchen auf den persönlichen Kontakt vor Ort - Thomas Lamers vom Nettebad: "So lernt man gleich alles praktisch kennen, und wir können auf Fragen eingehen."

Fragen indes kommen kaum auf, auch wenn vieles neu ist für die Männer aus fernen Ländern: Schwimmmeister Gerhards zeigt und erklärt den Kassenautomaten mit Chip statt Eintrittskarte, Umkleidekabinen, Schließfächer und Hygienevorschriften. Er hebt das Handyverbot im Bad hervor, es folgt der dezente Hinweis, es gehe auch darum, keine Gäste, ob männlich oder weiblich, zu fotografieren.

Verhaltensregeln gegenüber anderen müssen sein, doch im Vordergrund steht laut Schröder die Sicherheit: "Was ihr hier mitbekommt, gilt auch in anderen Einrichtungen", legt er den Besuchern ans Herz, zumal das Nettebad bald wegen Renovierung schließe. Er fügt hinzu: "Nur da schwimmen, wo es erlaubt ist. Bloß nicht in einen Nettesee springen, das ist verboten und gefährlich!" Wieder verständnisvolles Nicken in der Runde.

Nach knapp einer Stunde Führung durch das Bad wird es manchen doch zu warm, sie möchten gern schwimmen gehen. Gerhards und seine Kollegen zeigen sich flexibel und großzügig: Weil zwei der Besucher keine Badekleidung dabeihaben, werden Schwimmhosen besorgt, den Eintritt spendiert das Nettebad. Und selbstverständlich duschen sich die Flüchtlinge, wie gerade gelernt, erst kalt ab, bevor sie im kühlen Nass schwimmen.

(jobu)
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