Lobberich Vom Hospital zum Gesundheitszentrum

Lobberich · Kurz vor seinem Ruhestand erinnert Chirurgie-Chefarzt Michael Blum an die Geschichte des Krankenhauses in Lobberich. Als einziges im Westkreis hat die Einrichtung alle Stürme überlebt.

 Das Krankenhaus in Lobberich auf einer Postkarte aus dem Jahr 1915.

Das Krankenhaus in Lobberich auf einer Postkarte aus dem Jahr 1915.

Foto: Archiv Schmeink

Seine letzte Vorlesung widmete Michael Blum der Geschichte des Krankenhauswesens im Kreis Viersen und vor allem dem Krankenhaus in Lobberich, an dem er seit 25 Jahren als Chefarzt der Chirurgie und Privatdozent tätig ist. Ende Juni geht er in den Ruhestand. Sein Nachfolger Hendrik Keller, bisher Leitender Oberarzt am Dormagener Kreiskrankenhaus, wird seit Montag in seine neue Aufgabe eingearbeitet. Er saß im Konferenzzimmer des Krankenhauses in der ersten Reihe und erhielt einen umfassenden Einblick in die Entstehungsgeschichte des Hauses, das als einziges im Westkreis bislang alle Reformen überstanden hat. Blum war zuversichtlich, dass das Haus auch die nächsten Runden überstehen werde, denn es biete „eine vernünftige Krankenversorgung“.

Eine ordentliche Krankenversorgung ist erst in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts entstanden, auch wenn in Viersen-Dülken schon für das Jahr 1404 das Cornelius-Hospital und in Kempen 1421 das Hospital zum Heiligen Geist genannt werden, denn diese Häuser waren eher Herbergen als Krankenhäuser. Erst mit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert und der damit zunächst einhergehenden Verelendung vieler Menschen wurden Schwesternstationen eingerichtet. Es kam zum Bau von Hospitälern, in denen arme Kranke gepflegt wurden. Denn in den besseren Kreisen war Krankenpflege eine Familienangelegenheit, schilderte Blum die Zeit vor 150 Jahren.

In Lobberich hatte der katholische Pfarrer Ludwig Hegger schon 1869 ein Krankenhaus für wichtig gehalten, doch erbrachte eine Sammlung lediglich 1000 Reichsmark. Erst als die Textilindustriellen de Ball, van der Upwich und Niedieck 1882 tief in die Tasche griffen, kam es 1884 zum Bau des Gemeindekrankenhauses, in dem wohl die Schwestern von Münster St. Mauritz tätig waren. Ende Oktober 1885 stand das Gebäude im freien Feld am Weg nach Sassenfeld, denn die neue Pfarrkirche St. Sebastian war noch nicht errichtet.

Eine Finanzspritze von Niedieck ließ auch 1887/88 in Breyell ein Gemeinde-Krankenhaus entstehen. In Hinsbeck baute Graf Schaesberg 1884/85 ein Krankenhaus, das er 1901 der Pfarre St. Peter schenkte. Kaldenkirchen kam erst 1903 zu einem Krankenhaus mit der Pfarre St. Clemens als Träger. Alle Häuser überlebten das 20. Jahrhundert nicht. In Hinsbeck blieb die Kapelle, alle weiteren Bauten des Marien-Seniorenheims sind neu. In Kaldenkirchen steht an der Kölner Straße heute ein Discounter, ein Seniorenheim entstand neu an der Venloer Straße. Das Breyeller Haus hielt sich als Dependance von Lobberich bis 1996. Heute steht dort ein neues Seniorenheim.

In Lobberich hatten die Gemeindeväter schon Ende der 1950er-Jahre die Bedeutung eines Krankenhauses erkannt und alles für eine Erweiterung in Bewegung gesetzt. Diese kam dann einem Neubau gleich, der 1964 fertig gestellt wurde. Auch in den folgenden Jahrzehnten wurde immer wieder aufgestockt und erweitert. Wobei die Nettetaler das Glück hatten, in Bürgermeister Matthias Timmermanns einen Mann zu haben, der auch in Düsseldorf Türen öffnen konnte, merkte Mediziner Blum an. Doch habe sich das Haus in Lobberich auch eine große medizinische Reputation erworben, die verstärkt Patienten aus dem weiteren Umfeld anziehe. Wichtig für die Zukunft sei aber auch, „dass die Bevölkerung das Haus weiterhin annimmt“.

Bei der Betrachtung des Gesundheitswesens über viele hundert Jahre ist Blum zu der Erkenntnis gekommen: „Es ging immer ums Geld, schon im Mittelalter.“ Bereits Papst Clemens V. (1265 bis 1314) erließ das Dekret: „Jeder kann zum Heil seiner Seele ein Hospital gründen und auf eigene Rechnung betreiben.“ Für das Nettetaler Haus sei es ein Segen, sagte Blum, dass die Stadt Überschüsse des Krankenhauses nicht in den Haushalt umlenke, sondern beim Krankenhaus für dessen weitere Entwicklung belasse.

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