Nettetal Besuch in der Heimat der Eltern

Nettetal · In Breyell hat die Aufarbeitung eines düsteren Kapitels der Dorfgeschichte begonnen. Schüler spüren der Synagoge nach, Vera Gäbler nahm Kontakt zur jüdischen Familie Klaber auf. Jack Klaber war vor einiger Zeit zu Besuch. Der Israeli berichtete in der Stadtbücherei über seine Familie.

Im vergangenen Jahr war ein Stück Geschichte plötzlich wieder da. Es war lange verschwiegen und verdrängt worden, gerade auch in der örtlichen Geschichtsschreibung. Für manchen jungen Breyeller war es eine Neuigkeit, dass auch in ihrem Ort eine jüdische Synagogengemeinde existiert hatte, über die seit Kriegsende einfach nicht mehr gesprochen wurde. Dass die Erinnerung an die Menschen nicht ausgelöscht wird, war das Ziel einer Initiative der Gesamtschule in Breyell und parallel dazu die Aktivitäten von Vera Gäbler.

Sie stellte Kontakte her zu Jack Klaber. Er lebt in Israel, seine Familie stammt aus Breyell. Hier ist sein Großvater beerdigt. Zum vierten Gedenkabend zur Erinnerung an den jüdischen Lyriker Katzenelson kam Klaber Ende vergangenen Jahres nach Breyell, wo er in der Stadtbücherei über sein Leben berichtete. Leider fanden nur wenige Bürger den Weg dorthin. Die Beschäftigung mit dem Schicksal jüdischer Menschen aus dem eigenen Dorf bleibt mühsam und wird anderen überlassen. Daran ändert auch der gestrige Holocaust-Gedenktag nichts.

Jack Klaber sprach über sein Leben als Schüler in Venlo, Student in Köln und als israelischer Bürger. In Breyell ist der Großvater gestorben und beerdigt worden. Aus dem Dorf musste der Vater vor Nazis und ihren Sympathisanten nach Venlo fliehen. Von Breyell aus wurden seine beiden Großmütter, die erste Frau seines Vaters und sein damals fünfjähriger Halbbruder 1942 deportiert. Jack Klaber war in den ersten vier Jahren staatenlos, seinem Vater Fritz war die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt worden, weil er Jude war.

"Die Niederländer haben dieses Unrecht kritiklos anerkannt und uns erst zehn Jahre nach dem 2. Weltkrieg ihre Staatsangehörigkeit gegeben." Fritz Klaber heiratete nach Kriegsende in Venlo erneut. Mit dem Viehhandel scheiterte er aber dort, weil er für Niederländer dank des rheinischen Akzents ein lupenreiner Deutscher war. Sie akzeptierten ihn nicht. Fritz Klaber nahm daher wieder seinen Viehhandel in Breyell auf. "Er nahm mich als kleinen Bub oft mit. Ich kenne daher Breyell und Breyeller Leute gut. Wir tankten an der AJL-Tankstelle an der Biether Straße und ließen die Monatsrechnung aufschreiben. Wir gingen oft an dem Haus an der Bahnstraße vorbei, von dem aus die ganze Familie deportiert wurde", berichtete Jack Klaber.

"Mein Vater hat nie gesagt, dass dort, wo wir tankten, die Synagoge stand, die Nazis am 9. November 1938 zerstört hatten. Er hat nie gesagt, dass seine Familie an der Bahnstraße gewohnt hatte." Die Vernichtung der Juden war im Haus Klaber nie ein Thema. "Sie haben nichts gesagt, weil jeder Jude sein eigenes Schicksal hatte. "Ich habe sie sehr viel gefragt, aber nur Bücher bekommen." Jack Klaber nahm die Bücher an und las. Er las viel über die Ungeheuerlichkeiten, die im Namen Deutschlands Juden in ganz Europa widerfuhren.

(RP)
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