Nettetal Automaten-Bande lernt von Kindersendung
Nettetal · Die Täter informierten sich über Sprengungen durch die "Sendung mit der Maus"
Von ihren Fähigkeiten war die Bande am Ende selbst überrascht. "Wir hatten damit gerechnet, dass es knallt, aber nicht in dem Ausmaß", sagte ein 34-jähriger Angeklagter gestern vor der zweiten großen Strafkammer des Landgerichts Kleve. Er und vier weitere Bandenmitglieder, von denen drei bereits zu teilweise langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, hatten vom 23. März bis 23. Dezember 2015 zahlreiche Bankautomaten vor allem im Kreis Kleve gesprengt, um an das Geld zu kommen. Auch in Nettetal-Lobberich soll die Bande einen Automaten in der Postbank gesprengt haben - bevor sie einen Tag vor Heiligabend festgenommen wurde. Die Sprengung des Pavillons am Klever EOC blieb dem Beschuldigten wegen der großen Detonation dabei allerdings besonders in Erinnerung.
In den insgesamt neun Monaten erbeuteten er und seine Mittäter allerdings keinen Cent, was nicht zuletzt an ihrer Unerfahrenheit lag. So gelang es ihnen in mehreren Fällen sogar nicht, eine Sprengung herbeizuführen. Das Prozedere dazu habe sich die Gemeinschaft lediglich durch Internet-Videos versucht selbst beizubringen. "Und durch die Sendung mit der Maus", fügte der 34-Jährige hinzu. In dem bei Vorschulkindern sehr beliebten Aufklärungsformat sei ein detaillierter Beitrag über Sprengungen zu sehen gewesen.
Wie auch schon ein 28-jähriger Niederländer, der gemeinsam mit dem Klever ebenfalls unter anderem wegen versuchten schweren Bandendiebstahls angeklagt ist, erklärte, seien die Taten alle nach dem gleichen Schema abgelaufen. In den meisten Fällen habe der 34-Jährige das Loch in den Ausgabeautomaten gebohrt, in das dann ein Gas-Sauerstoff-Gemisch eingefüllt worden sei, so der Beschuldigte selbst. Er räumte die Beteiligung an insgesamt zehn Automaten-Sprengungen ein. Eine in der Anklageschrift ihm ebenfalls vorgeworfene elfte Tatbeteiligung in Bedburg-Hau stritt er ab. Der zweifache Vater zeigte in den anderen zehn Fällen aber Reue. Die Taten seien auf seinen jahrelangen und zuletzt sogar täglichen Kokain-Konsum sowie seiner Alkohol- und Drogen-Abhängigkeit zurückzuführen gewesen. Er habe mit dem Geld aus den Sprengungen seinen Konsum bedienen und Schulden abbauen wollen. "Ich bin über meine Inhaftierung mittlerweile froh", sagte der 34-Jährige. Er hoffe, mithilfe einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sein Suchtproblem bekämpfen zu können.
Ein Kriminalbeamter verriet gestern indes, dass drei Bandenmitglieder am 23. Dezember 2015 vor einer schon geplanten weiteren Sprengung in Dorsten geschnappt werden konnten. Sie hätten anschließend Angaben zu den beiden weiteren Tätern gemacht.