Mutter kämpft für ihre Tochter Rassismus-Vorwürfe an Nettetaler Grundschule

Nettetal · Ein zehnjähriges Mädchen berichtet, seit einem Jahr wegen seiner Hautfarbe beleidigt zu werden. Die Schule gibt an, nichts gewusst zu haben

 Das Mädchen besucht die dritte Klasse der Gemeinschaftsgrundschule Breyell.

Das Mädchen besucht die dritte Klasse der Gemeinschaftsgrundschule Breyell.

Foto: Busch, Franz-Heinrich sen. (bsen)

Jeden Tag, sagt Merian*, jeden Tag müsse sie sich in der Grundschule anhören, dass sie hässlich sei, aussehe wie Durchfall, ein verbrannter Pfannkuchen, eine schwarze Missgeburt. Was der Unterschied zwischen der Zehnjährigen und Mitschülern ist? Merian hat dunkle Haut. Ihr Vater ist Brite afrikanischer Herkunft.

Die Schülerin sitzt am Esstisch in einer Wohnung in Nettetal und streichelt der Katze über den Kopf. „Schulisch ist alles okay“, sagt ihre Mutter Miriam. Vor einem Jahr ist sie mit ihren Töchtern aus London zurück in ihre Heimatstadt gezogen. Ihr Vater hatte gesundheitlich abgebaut. „Er hat mich großgezogen, jetzt bin ich dran“, sagt die 35-Jährige. Inzwischen aber weiß Miriam, helle Haut, blonde Haare, blaue Augen, nicht mehr weiter: „Meine Tochter wird psychisch fertiggemacht. Das wird sie ein Leben lang begleiten.“

Anfangs dachte sie noch an ein Missverständnis. „Merian und ihre kleine Schwester kamen weinend vom Spielplatz“, erinnert sie sich. „Ein Kind hatte gesagt, dass Neger dort nichts zu suchen hätten.“ In der Schule sei Merian schwarze Schokolade genannt worden. Dann habe es geheißen: Wie kannst du so hässlich auf die Straße gehen? Geh dich mal waschen. Mit jedem Mal sei es schlimmer geworden. „Am Elternsprechtag habe ich den Klassenlehrer angesprochen“, sagt Miriam. „Es hat danach aber keine Aufklärung gegeben.“

Die 35-Jährige zählt ein halbes Dutzend Vorfälle auf, bei denen Merian im vergangenen Schuljahr in der Pause oder nach Schulschluss von älteren Mitschülern übel beleidigt worden sei und nach denen die Mutter auf Konsequenzen gehofft habe. „Entweder hat sie sich an Lehrer gewendet oder ich“, sagt die Mutter. „Meist ist aber nicht mehr passiert, als dass die Schüler zur Strafe etwas abschreiben sollten.“ Am Montag sei es besonders schlimm gewesen, tags darauf ließ Miriam ihre Tochter zu Hause, „damit sie Luft holen kann“.

Sie informierte die Schule nach eigener Aussage telefonisch über den Vorfall. „Bei mir hat sich keiner danach gemeldet“, sagt Miriam. Am Dienstag fragte unsere Redaktion beim Schulträger – die Stadt Nettetal – nach. Am Morgen habe ein Gespräch zwischen Verwaltung und Schulleitung stattgefunden, sagte Stadtsprecher Jan van der Velden am Mittwoch. Er bestätigte, dass es an der Gemeinschaftsgrundschule Breyell, wo Merian die dritte Klasse besucht, einen Vorfall im Rahmen der Betreuung der Offenen Ganztagsschule gegeben habe, „bei dem eine Schülerin von sechs Mitschülern beleidigt wurde“. Die Schüler seien umgehend zur Rede gestellt worden. „Nachdem sie wenig Einsicht für ihr Verhalten zeigten, wurden sie aus der normalen Betreuung isoliert und die sofortige Erarbeitung einer schriftlichen Aufgabe zu einem anti-rassistischen Thema veranlasst.“

Laut Aussage der Schulleiterin seien bisherige Vorwürfe nicht bekannt gewesen, Beschwerden nicht an das Lehrpersonal herangetragen worden, „sodass bislang keine Veranlassung bestand, auf etwaige Äußerungen zu reagieren“. Am Mittwochmorgen, so berichtet es Miriam, habe sie selbst erneut in der Schule angerufen und mit dem Klassenlehrer gesprochen: „Er sagte, dass er am Dienstag dreimal versucht habe, mich anzurufen. Mein Telefon zeigte mir aber keinen entgangenen Anruf an.“ Am Vormittag noch hatte die Stadt mitgeteilt, dass die Mutter für die Schulleitung nicht erreichbar sei.

„Der Klassenlehrer sagte, dass von den Schülern ein Entschuldigungsschreiben kommen soll und dass es eher Mobbing als Rassismus sei“, sagt Miriam. „Tja, gut, aber alles hat seine Grenzen.“ Am Freitag soll es ein persönliches Gespräch zwischen Schulleitung und Miriam geben. „Mir ist wichtig, dass grundlegend etwas passiert, dass sie Anti-Rassimus-Konzepte vorlegen“, sagt sie. „Ich kann versuchen, Merian von zu Hause aus zu stärken, aber auf Dauer reicht das nicht.“

*Namen geändert.

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