Deutsch-niederländisches Grenzgebiet Immer mehr Lastwagen auf der Standspur an der A61

Nettetal · Seit dem 1. Februar gilt eine EU-Verordnung: In jedem Lkw muss ein Grenzübertritt eingegeben werden, wenn er nicht digital erfasst wird. Das führt dazu, dass einige Lastwagen auf dem Standstreifen halten. Eine neue Gefahrenquelle.

 Ein Lkw auf der A61 zwischen Breyell und Kaldenkirchen steht mit Warnblinkanlage auf dem Standstreifen, nur noch wenige Kilometer bis zur Grenze.

Ein Lkw auf der A61 zwischen Breyell und Kaldenkirchen steht mit Warnblinkanlage auf dem Standstreifen, nur noch wenige Kilometer bis zur Grenze.

Foto: Ja/Knappe, Joerg (jkn)

Der Horrorunfall von Montag auf der A61 wirft viele Fragen auf. Ein Pkw aus den Niederlanden fuhr auf einen Sattelzug auf, der auf dem Standstreifen in Höhe der Ausfahrt Nettetal-West stand. Der 50-jährige Autofahrer starb noch an der Unfallstelle, der Lkw-Fahrer erlitt einen Schock. Warum der Lkw dort stand, wird von der Autobahnpolizei noch ermittelt. Vieles deutet darauf hin, dass er seinen Fahrtenschreiber betätigte. Auch in den Kommentaren zu unserer Unfall-Meldung spricht ein Lkw-Fahrer davon, dass man jetzt die Länderkennzeichnung ändern müsse, wenn man über die Grenze fahre. „Und da bis hinter M‘gladbach kein Rastplatz kommt, halten die Fahrer alle auf dem Standstreifen.“

Die Autobahnpolizei Mönchengladbach, die für den Streckenabschnitt der A61 bis zur Grenze zuständig ist, registriert seit Anfang des Monats mehrere Lastwagen, die aus den Niederlanden kommend kurz hinter der Grenze auf dem Standstreifen stehen. Seit 1. Februar gilt eine neue EU-Verordnung. Demnach müssen alle Lastwagen einen Grenzübertritt im Fahrtenschreiber dokumentieren. Dazu sollen die Lkw den nächsten Parkplatz oder die nächste Raststätte anfahren. Das wäre aber frühestens der Autohof in Mönchengladbach-Güdderath, eine Entfernung von rund 35 Kilometern, für die allein ein Pkw laut Routenplaner schon 25 Minuten braucht. Es folgt an der A61 die Raststätte Bedburger Land hinter dem Dreieck Jackerath. Das wären schon über 52 Autobahnkilometer.

Seit 2019 werden in den neuen Lkw digitale Tachos verbaut, die über GPS den Grenzübertritt automatisch registrieren. Bis Ende 2025 sollen alle Lastwagen damit ausgestattet sein. Die Eingabe per Hand ist ein Problem älterer Lastwagen, die noch nicht über diese moderne Technik verfügen. Der Viersener Bundestagsabgeordnete Udo Schiefner (SPD) ist Vorsitzender des Bundesverkehrsausschusses. Sein Berliner Büro kennt die Problematik mit der neuen EU-Bestimmung. Nach mehr als drei Jahren schwierigen Verhandlungen wurde 2019 das EU-Mobilitätspaket für den Güterverkehr beschlossen. Es soll gestaffelt von 2020 bis 2025 in Kraft treten. Es regelt die Arbeitsbedingungen der Fahrer und auch die Wettbewerbsbedingungen zwischen den Fuhrunternehmen. Es geht um maximale Arbeitszeiten und Mindestruhezeiten. Die Positionsbestimmung mittels Fahrtenschreiber ist wichtig für die Bestimmung des jeweils gültigen Mindestlohnes, aber noch mehr, um eine illegale Kabotage zu verhindern. Mit der völligen Liberalisierung des europäischen Güterkraftverkehrs ist jedes Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedsstaat der EU und des EWR  mit einer EU-Lizenz sowohl zu grenzüberschreitendem Güterkraftverkehr als auch zu Beförderungen im Binnen- oder Kabotageverkehr befugt. Die Kabotage ist in einem anderen Land als dem Niederlassungsstaat des Unternehmens allerdings nur „zeitweilig“ erlaubt. Danach dürfen im Anschluss an eine grenzüberschreitende Lieferung nach vollständiger Entladung der Güter nur bis zu drei Kabotagebeförderungen innerhalb von sieben Tagen mit demselben Fahrzeug durchgeführt werden. Danach muss die Grenze wieder überquert werden.

Für den Niederrhein ist Stefan Berger (CDU) Mitglied des Europäischen Parlaments. Grundsätzlich seien die Entsenderichtlinie, wer nach welchem Lohn bezahlt wird, und die Kabotage-Regelung etwas Positives. Die gut gedachte Regelung dürfe aber nicht zu verbotenem Halten von Lkw auf den Standstreifen der Autobahnen führen. Die Verordnung spreche von der nächsten geeigneten Haltemöglichkeit. Berger greift das Problem auf und wird an die Kommission schreiben.

„Da hat in Brüssel mal wieder jemand eine Idee gehabt“, sagt Peter Nister von der Internationalen Spedition Gebr. Nisters. Die Regelung sei alltagsfremd. In der Hektik des Alltags könnten Lkw-Fahrer das Eingeben des Grenzübertritts durchaus mal vergessen. Keine Lösung sei auch, von der Autobahn runter und den Schwanenhaus-Parkplatz oder die Shell-Tankstelle im Gewerbegebiet Herrenpfad anzufahren.

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