Nettetal Fünf Figuren für die Stadtteile

In Kaldenkirchen, Lobberich, Hinsbeck, Schaag und Breyell gibt es im Zentrum Denkmäler, die auf die Ortsgeschichte verweisen und von früher erzählen. Was fehlt, ist etwas Verbindendes für die Zukunft.

 Der Wenkbüll in Lobberich.

Der Wenkbüll in Lobberich.

Foto: Heribert Brinkmann

Weit zurück greifen die Figuren der Denkmäler, die in den Ortsteilen von Nettetal aufgestellt sind. Mit Blick auf das Jubiläumsjahr – 50 Jahre Stadt Nettetal – fällt auf, dass diese ansprechenden Figuren weit in die Vergangenheit verweisen, vor allem ins 19. Jahrhundert oder früher. Allen ist gemeinsam, dass sie eine Tradition heraufbeschwören, die heute verloren ist.

In Kaldenkirchen ist direkt an der katholischen Kirche der Zigarrendreher zu finden. Die Bronzeskulptur wurde von der Künstlerin Loni Kreuder aus Hinsbeck geschaffen. Die Figur verweist auf ein Kapitel der Industriegeschichte von Kaldenkirchen. Dort gab es gegen Ende des 19. Jahrhunderts bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts eine bedeutende Tabak- und Zigarrenindustrie, auch jenseits der Grenze. Auf den Internetseiten der Stadt wird dazu ausgeführt, dass bereits 1773 ein Tabakhändler in Kaldenkirchen wohnte. 1804 nahm eine erste Tabakfabrik ihren Betrieb auf. Dieser Industriezweig wuchs rasant, denn 1921 arbeiteten 1217 Einwohner in den Tabakfabriken oder in Heimarbeit. Das waren rund 65 Prozent der arbeitenden Bevölkerung. In den 1920er-Jahren verschwand dieser Industriezweig ganz aus Kaldenkirchen. Gründe gab es in zollpolitischen Maßnahmen nach dem Ersten Weltkrieg, veränderten Absatzmärkte, einem neuen Tabaksteuergesetz und der Konzentration auf große, kapitalstarke Firmen.

 Der Zigarrendreher vor der Kaldenkirchener Pfarrkirche St. Clemens.

Der Zigarrendreher vor der Kaldenkirchener Pfarrkirche St. Clemens.

Foto: Busch, Franz-Heinrich sen. (bsen)

Auch in Lobberich wird an ferne glanzvolle Zeiten erinnert. Dort steht auf dem Marktplatz der Lobericher Wenkbüll. „Mutig“, nannte das Bürgermeister Christian Wagner (CDU), als die Figur von Loni Kreuder aufgestellt wurde. Für Ideengeber Johannes Thodam sah der Wenkbüll wie Johannes Heesters aus. Die Skulptur in Bronze soll Unbekümmertheit, Lebenslust und Leichtigkeit mit einem Augenzwinkern darstellen. Lobberich war durch die Samtproduktion der Textilindustrie wohlhabender als die umliegenden Gemeinden geworden. Das sorgte für Neid. Schnell sagten die Nachbarn den Lobberichern Wichtigtuerei und Überheblichkeit nach. Umschrieben wurde dieses Gefühl mit „Lobbricker Wenk“. Wenkbüll ist die mundartliche Bezeichnung für Windbeutel. Angeblich wird diese Umschreibung von keinem echten Lobbericher als Beleidigung aufgefasst.

 Kiependräger in Breyell.

Kiependräger in Breyell.

Foto: Heribert Brinkmann

Auch der Hinsbecker Jüüt verweist auf die textile Vergangenheit. Die Güte, auf Platt Jüüt genannt, ist eine lange Schöpfkelle, mit der früher aus schmalen Wassergräben Wasser über den Leinenstoff gesprüht wurde, der auf einer Bleichwiese ausgelegt war. Mit Wasser und Sonnenstrahlen wurden die Leinen besonders weiß. Die Hinsbecker Leinenweber waren dafür bekannt, dass sie mit leichtgläubigen Kunden ihren Spaß trieben. Sie schoben ihnen die absonderlichsten Geschichten unter. Im wahrsten Sinne des Wortes nahmen die Hinsbecker Leinenweber die Besucher mit der Jüüt auf die Schippe. Angeblich seien die Hinsbecker noch heute stolz auf diese Charakterisierung.

 Der Gerber in Schaag.

Der Gerber in Schaag.

Foto: Heribert Brinkmann

Die einzige Betonfigur unter den Bronzen ist die Gerberfigur des Bildhauers Wolfram Schobel-Gundhardt am Hubertusplatz in Schaag. Die Skulptur wurde 2012 von der Interessengemeinschaft Schaager Kreis gestiftet. Sie erinnert an den Beruf des Ledermachers, wie er im 19. Jahrhundert im Mühlenbachtal zu finden war. Noch weiter in die Vergangenheit verweisen die Kiependräger. Eine solche Figur steht in Breyell am Anfang der Fußgängerzone Josefstraße. Über den Hintergrund ist zu erfahren, dass im 16. Jahrhundert viele Bauern auch Warenhandel betrieben. Für eine bestimmte Zeit des Jahres waren sie als Wanderkrämer mit einem Rückenkorb, der Kiepe, unterwegs. So zogen sie über Land und verkauften ihre Waren. Die Kiependräger entwickelte eine Art Geheimsprache, das Krämerlatein, mit der sie sich untereinander verständigten.

Was wäre wohl heute eine passende Figur, die für Nettetal steht? Vielleicht wird man diese Frage erst in ferner Zukunft beantworten können.

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